Die Seele Chinas - Chinaseiten
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von uns hatte eine elektrische Taschenlampe bei sich. <strong>Die</strong> holte er geheimnisvoll aus<br />
der Tasche hervor und ließ sie in dem dunklen Raum aufblitzen. <strong>Die</strong> Pilger staunten,<br />
und auch der Abt bewunderte. Nun wurde ihm ausführlich erklärt, wie man ein solches<br />
Ding handhaben müsse. Endlich durfte er auch ein paarmal knipsen. <strong>Die</strong> Batterie<br />
erschöpfte sich allmählich und die Lampe hörte auf zu imponieren. Nun verabschiedete<br />
sich der Abt, und mit der gelassensten Miene der Welt holte er aus seinem Ärmel eine<br />
vorzügliche Taschenlampe hervor. <strong>Die</strong> Pilger wichen scheu vor der blendenden Helligkeit<br />
zur Seite, und freundlich grüßend, verschwand der Abt durch die aufleuchtenden<br />
Gänge nach seiner Zelle. -<br />
Mein Reisegenosse war wütend, wollte dem Abt nachstürzen, der ihm seine Taschenlampe<br />
gestohlen. Mühsam hielt ich ihn zurück. Da war auch noch die Taschenlampe.<br />
Der Abt hatte seine eigene bei sich gehabt, die weit heller war, und wir hatten ihm mit<br />
unserem bescheidenen Lämpchen einen Zauber vormachen wollen! Wir müssen ihm<br />
vorgekommen sein wie Neger, die sich mit ihren Zylinderhüten brüsten. Auch den Pilgern<br />
gegenüber hatte er gesiegt. <strong>Die</strong>se zogen sich allmählich zurück, und es ward stille<br />
in dem weiten Raum.<br />
Nun konnten wir darangehen, nach einem Ruhelager zu suchen, Bettzeug hatten wir<br />
mitgebracht. Aber in der Halle stand nur eine einzige Bettstelle, auf der wir unsere<br />
Küchengeräte ausgebreitet hatten. Zur Hinterwand führte ein verstecktes Pförtchen in<br />
einen geheimnisvollen schwarzen Gang hinaus. Eine steile Treppe ging nach oben. Wir<br />
gingen hinauf und fanden Tür an Tür eine Reihe öder Gemächer, in denen zum Teil<br />
altes Gerümpel lag, zum Teil Bettstellen umherstanden. <strong>Die</strong> Finsternis verhinderte, das<br />
ganze Gewirr von Zimmern und Kammern zu unterscheiden, das wie in einem unheimlichen<br />
Traum sich durcheinanderschob. Wir suchten ein paar der besten Kammern aus,<br />
und da wir müde waren, schliefen wir bald ein. Ich hatte nicht lange geschlafen, da<br />
führte mich der Traum zurück in die dunkle Halle. Zwei Priester in weitem Gewand<br />
saßen an unserem Tisch und tranken. Der eine schnitt aus einem Stück Papier eine<br />
runde Scheibe und hängte sie an die Wand. Der andere fragte: »Wo sind die Fremden<br />
mit dem Taschenlicht?« Mein Freund stand stolz auf und sprach in militärischem Ton<br />
»Hier«. »Dann leuchte einmal.« Er ließ seine Laterne aufleuchten, die aber bald erlosch.<br />
Nun begann die weiße Scheibe zu strahlen, und man entdeckte, daß sie der Mond war,<br />
der im Zimmer hing. Ganz deutlich konnte man das Marmorschloß sehen und den<br />
Kassiabaum daneben. Ein Lachen ertönte, und die Mondfee kam herbeigeschwebt. Sie<br />
mußte nun tanzen, und alle Pilger lachten und freuten sich ihrer Schönheit. Da schwebte<br />
der Mond wieder an den Himmel empor. Der Freund, der einen Kakianzug und<br />
Tropenhelm trug, wurde immer länger, bis er über den ganzen Berg hinausragte und an<br />
den Mond anstieß. Der Priester aber und sein Genosse kletterten an ihm wie an einer<br />
Leiter empor, gingen auf das Schloß im Monde zu und verschwanden mit der Mondfee<br />
in seinen Gemächern. Der Freund aber begann laut zu brüllen, so daß die Pilger<br />
angstvoll zerstoben und ich - erwachte. Er schnarchte allerdings recht deutlich nebenan.<br />
Am anderen Morgen drang die Kühle vor Sonnenaufgang ganz empfindlich durch die<br />
dünnen Bretterwände, und im Schimmer der aufgehenden Sonne machten wir uns einen<br />
Begriff von der Lage der Räume, in denen wir geschlafen. Über die Dächer der<br />
Tempelgebäude hinweg sah man hinaus ins sonnenfrische Land. Nach dem Frühstück<br />
sahen wir uns in den Tempelhallen um. <strong>Die</strong> Priester, die meistens Opiumraucher waren,<br />
schliefen noch. Wir hinterließen eine angemessene Bezahlung für unsere Beherbergung<br />
und gingen weiter.<br />
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