Die Seele Chinas - Chinaseiten
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tionen wurden selbst die kaiserlichen Ahnentafeln entfernt. Nur der Urahn des<br />
Geschlechts und besonders verdienstvolle Väter der späteren Zeit wurden als Tsu<br />
(Urvater) bzw. Tsung (Stammesahn) dauernd verehrt. Konfuzius hat die alten Bräuche,<br />
die er übernommen hat, im wesentlichen anerkannt und in ein System gebracht. Sein<br />
Ziel war, die Grundpflicht der Kindesehrfurcht so auszugestalten, daß sie zur absoluten<br />
Pflicht wurde ganz unabhängig davon, ob die Eltern, die Träger dieser Ehrfurcht, lebten<br />
oder nicht. Dabei befleißigte er sich den Jenseitsvorstellungen gegenüber einer beachtenswerten<br />
Zurückhaltung. »Du kennst das Leben noch nicht, wie willst du den Tod verstehen«,<br />
antwortete er einem Jünger, der ihn nach dem Jenseits fragte. Auch über die<br />
Dauer der Persönlichkeit der Ahnen enthielt er sich einer positiven Äußerung. »Sage<br />
ich, sie haben Bewußtsein, so werden pietätvolle Söhne ihr alles preisgeben, um den<br />
Toten zu dienen. Sage ich, sie haben kein Bewußtsein, so werden rücksichtslose Söhne<br />
sich um ihre Verstorbenen überhaupt nicht mehr kümmern.« Deshalb war die Ungewißheit<br />
in diesen Dingen der <strong>Seele</strong>nzustand, der dem Meister als der richtigste erschien.<br />
Denn auf diese Weise wurde die Pflicht erfüllt unabhängig von äußeren Motiven, rein um<br />
der Pflicht willen.<br />
Im späteren Konfuzianismus finden wir einen ausgesprochenen Unglauben in diesen<br />
Dingen. Aber die Sitten sind so ausgestaltet, daß sie eine regelrechte Selbstsuggestion<br />
befördern. Durch Fasten und Meditieren über das Leben des Verstorbenen, indem man<br />
sich versenkt in sein Aussehen, seine Stimme, seine Gewohnheiten, seine Äußerungen<br />
wird die Stimmung des Sohnes so erregt, daß es oft fast zu Visionen und Auditionen<br />
kommt. Aber alles ist nur ein »Als ob«. Denn nirgends wird eine wirkliche Erscheinung<br />
postuliert. Zur Ausübung der Opfer mit dem nötigen Ernst genügt die lebendige Vorstellung,<br />
daß man sich als in Gegenwart der Hingeschiedenen befindet. <strong>Die</strong>se Religion<br />
des »Als ob« bezeichnet aufs bündigste den konfuzianischen Ahnenkult in seinem<br />
tiefsten Wesen.<br />
Natürlich ist ohne weiteres klar, daß diese sozusagen schwebende Freiheit der<br />
Anschauung nichts für das Volk ist. Hier haben immer massivere Vorstellungen<br />
geherrscht, und der Mythus wurde auch von oben her gepflegt. Wo eine göttliche Kraft<br />
sich zeigte und im Interesse der Gesellschaft sich betätigte, fand sie öffentliche Anerkennung.<br />
Der neue Gott fand Aufnahme in die staatlichen Opferlisten. Es war genug,<br />
wenn der Mythus für die Führenden als durchsichtiger Schleier erkannt war. <strong>Die</strong> Menge<br />
fühlt sich nicht wohl auf den eisigen Gipfeln der Erkenntnis.<br />
Freilich begnügte man sich nicht im Volk, die staatlich approbierten Götter auf diese<br />
Weise anzubeten. Man suchte persönlich nähere Verbindungen. Hier beginnt nun der<br />
Bereich der Geheimsekten und okkultistischen Bewegungen, die in unruhigen Zeiten<br />
immer da und dort aufflammten. Oft hatten sie stark politischen Hintergrund und wurden<br />
dann als staatsgefährlich mit strengen Maßregeln verfolgt. Oft waren sie der Zufluchtsort<br />
der Stillen im Land und wurden dann stets freundlich geduldet. Es ist ein Vorrecht des<br />
christlichen Europa und seiner westasiatischen Verwandten geblieben, auf dem Gebiet<br />
der Religion Kriege zu führen, vielleicht weil man die Religion hier viel zu massiv<br />
auffaßte und nichts wissen wollte von der sublimen geistigen Freiheit des Denkens, die<br />
im Osten schon immer zu Hause war.<br />
In den letzten Jahrzehnten sind verschiedene Bewegungen religiöser Art im Volk entstanden,<br />
die eine Zeitlang die Gemüter erregten, aber schließlich auf harmlose Weise in<br />
den Betrieb des Lebens wieder übergingen. <strong>Die</strong> eine dieser Bewegungen hatte ihren<br />
Sitz hauptsächlich in der Mandschurei, sprang von dort aus aber auch auf Schantung<br />
über, das mit der Mandschurei in regen Wechselbeziehungen steht. Durch japanische<br />
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