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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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in Südschantung stand, eine Wiederherstellungsaktion zu unternehmen, kläglich<br />

gescheitert war, zog sich einer um den anderen vom Prinzen zurück.<br />

Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem er Abschied von mir nahm, um sich an die<br />

Front zu begeben. Ich hatte ihm abgeraten, aber er ließ sich nicht irre machen. »In<br />

Peking sehen wir uns wieder oder nie«, sagte er zuletzt noch. Er hatte schon in seinem<br />

und Tschang Hsüns Namen die Proklamationen ausfertigen lassen, und Tschang Hsün<br />

war schon ganz nahe daran gewesen, den entscheidenden Schritt zu tun. Da ließ Yüan<br />

Schï K'ai, der natürlich von allem was vorging, genau unterrichtet war, einfach die Bahnschienen<br />

auf der Strecke südlich von Tsinanfu ein wenig aufreißen, und Tschang Hsün,<br />

der sich durchschaut fühlte, blieb still. Der Prinz aber kehrte unverrichteter Dinge in sein<br />

Tsingtauer Asyl zurück.<br />

Allmählich lernte er es, zurückhaltender zu werden. So ist denn der spätere Putsch,<br />

durch den Tschang Hsün nach dem Tode Yüan Schï K'ais in Peking die Monarchie für<br />

ein paar Tage wiederherstellte und der durch die Truppen von Tuan K'i Jui eben so<br />

rasch beendigt wurde, wie der Kapp-Putsch in Deutschland, nicht seiner Initiative<br />

entsprungen.<br />

<strong>Die</strong> Erfahrungen des Exils hatten auf sein ganzes Wesen einen guten Einfluß. Er wurde<br />

einfacher, menschlicher, umgänglicher, ohne die Würde, die ihm angeboren war, zu verlieren.<br />

Etwas Geradliniges, Unkompliziertes hatte er an sich, das zwar der Fülle der<br />

Wirklichkeit nicht gewachsen war, das aber durch seine oft fast kindliche Unerfahrenheit<br />

manchmal beinahe rührend wirkte. Zum Teil lag das ja an der Weltfremdheit, mit der die<br />

Prinzen in den Palastmauern aufwuchsen, wo sie außer Eunuchen und Knechten niemand<br />

zu ihrem näheren Umgang hatten. Selbst der Citoyen Orléans unter den Mandschuprinzen,<br />

der Prinz P'u Lun, hat bis auf den heutigen Tag etwas von dieser Unbeholfenheit<br />

an sich, obwohl er es seit langem gewohnt ist, mit chinesischen Freunden<br />

jeder Art bis in die Morgenfrühe zusammen zu zechen, und mit Europäern der verschiedensten<br />

Klassen im Hotel Wagons Lits in Peking Brüderschaft zu trinken. Man konnte<br />

oft beobachten, daß die Prinzen in der Wahl ihres Umgangs wenig bedenklich waren.<br />

Nicht nur drängten sich allerlei chinesische Elemente an sie heran, die keineswegs<br />

immer zur guten Gesellschaft gehörten, sondern auch unter ihren fremden Freunden<br />

herrschte oft recht seltsame Mischung: offenbar fühlten sie den Schritt, den sie taten,<br />

um überhaupt auf einem Fuß der Gleichheit mit anderen Menschen zu verkehren, so<br />

groß, daß sie innerhalb dieser Masse keine weiteren Unterschiede mehr machten. Das<br />

hat sicher etwas Berechtigtes, nur konnte man oft bemerken, daß nicht nur der Sinn für<br />

bürgerliche Rangstufen ihnen erfreulicherweise vollkommen abhanden war, sondern<br />

auch das Gefühl für Qualitätsunterschiede oft mangelte. Das war ein Fehler, der sich<br />

rächte. Denn an Stelle der Unbequemen, aber Tüchtigen, zogen sie die bequemen<br />

Schmeichler an sich heran. Ich vergesse nie das große Vertrauen des Prinzen Kung,<br />

das er zeigte, als ich ihm mitteilte, daß einer seiner europäischen politischen<br />

Geheimagenten gleichzeitig im <strong>Die</strong>nst seines Todfeindes Yüan Schï K'ai stehe. »Das<br />

hat er mir selbst schon gesagt«, erwiderte er mit erhabener Ruhe. »Daran sehe ich, daß<br />

er mir unverbrüchlich treu ist, und Yüan Schï K'ai nur dient, um ihn zu täuschen.« - Was<br />

die Folgen dieses Vertrauens waren, wurde schon erwähnt.<br />

Ich selbst habe im Verkehr mit dem Prinzen und seiner Familie nur Gutes und Angenehmes<br />

erlebt. Oft vertieften wir uns in ernstem Gespräch in den Buddhismus, der die<br />

eigentliche Religion des Mandschuhauses war, trotz der nach außen hin zur Schau<br />

getragenen Pflege des Konfuzianismus. Er erzählte mit Stolz, wie der Stamm der Mandschus<br />

seinen Namen bekommen habe von dem Schutzheiligen Mandschusri, jenem<br />

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