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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Krieger der neuen Dynastie, mit Beschlag belegt. <strong>Die</strong> Chinesen mußten ausziehen und<br />

wurden südlich vor der Stadt in der sogenannten äußeren oder Chinesenstadt angesiedelt.<br />

Auch diese Stadt wurde mit einer, freilich etwas dürftigeren, Mauer umzogen, die<br />

neben den bewohnten Vierteln auch weite Strecken bebauter Felder in ihrem Innern<br />

faßt. Das war nun das dritte Peking. <strong>Die</strong>ses Peking war Weltstadt, nicht bloß chinesische<br />

Hauptstadt. Hier war die Stelle, wo die Herrschaft über die Bannerscharen und die<br />

Chinesen ausgeübt wurde. Beide blieben getrennt. Denn wenn die Chinesen auch den<br />

Zopf der Eroberer und ihre Kleidung übernehmen mußten, so fand doch keine Verheiratung<br />

zwischen den Stämmen statt. <strong>Die</strong> Mandschuren, deren Garnisonen rings im<br />

Lande verteilt waren, hielten sich von Landbau und Gewerbe fern. Sie blieben Krieger<br />

und lebten von dem Tributanteil, den ihr Herr und Gott, dessen Sklaven sie waren, ihnen<br />

zuteilte. <strong>Die</strong> Chinesen, der produktive Teil der Bevölkerung, wurden durch kaiserliche<br />

Beamte regiert, die ebenfalls in Peking ihre höchsten Behörden hatten.<br />

<strong>Die</strong> Mandschus haben es sich stets angelegen sein lassen, den Konfuzianismus zu<br />

pflegen. Im Norden der Stadt steht der wundervolle Konfuziustempel mit seinem strengen,<br />

bildlosen Ernst. In der Nähe ist das Kuo Tsï Kiän, die Halle der Klassiker, ein quadratischer<br />

Raum in rundem Teich (Zirkel und Winkelmaß symbolisierend), in dem die<br />

großen Kaiser persönlich die Lehre verkündigt haben.<br />

Aber auch die Mongolen waren da. Man wußte sie zu sichern durch die Aufnahme ihrer<br />

Religion. Eine ganze Reihe von Tempeln des Lamaismus, wie der Gelbe Tempel<br />

(Huang Sï) und der Tempel der Harmonie und Eintracht (Yung Ho Kung), stehen in<br />

Peking und haben die Brücke gebildet nach der Mongolei und nach Tibet hin. Mehr als<br />

ein lebender Buddha oder Großlama haben in Peking geweilt, und einer ist sogar hier<br />

gestorben, wovon die Skulpturen auf schönen Marmorpagoden in diesen Tempeln noch<br />

erzählen. <strong>Die</strong>se lamaistischen Heiligtümer beunruhigen oft die Besucher Pekings. Der<br />

Lamaismus ist eine Form des Buddhismus, die voll von Magie und schrecklichem Zauber<br />

ist. <strong>Die</strong> Kräfte der Natur sind durch Göttergestalten verkörpert, die in ihrer rücksichtslosen<br />

Grausamkeit entsetzlich sind. <strong>Die</strong> langen Posaunen, die durch den ganzen<br />

Hof reichen, tönen gräßlich. Pauken und Triangel und Muschelhörner sind aus einem<br />

verschlossenen Raum zu einem monotonen Gesang hörbar. <strong>Die</strong> Phantasie hat Spielraum,<br />

sich auszumalen, was da hinten an entsetzlichen Dingen geschieht. In Wirklichkeit<br />

wird einfach Messe gelesen. <strong>Die</strong> Menschenschädel, die im Kult verwendet werden,<br />

die tiergestaltigen, blutrünstigen Ikone, die oft ihre weibliche Schakti als Symbol der<br />

Schöpfertätigkeit bei sich haben, sehen fürchterlich aus. Der Dämonentanz mit den<br />

großen Masken, die erschrecken, der Teufel, der um Neujahr erst geschlagen, dann<br />

verbrannt wird: alle diese spukhaften Geheimnisse zeigen eine Form der Wüstenmagie,<br />

die nicht vereinbar erscheint mit dem milden, erhaben ruhigen Buddhismus, von dem sie<br />

eine Sekte sind. <strong>Die</strong> Fremden aber, die diesen Dingen verständnislos gegenüberstehen,<br />

wundern sich, wenn große, starkgebaute Mongolen in ihren bunten Kutten sich<br />

andächtig zu Boden werfen im Weihrauchdampf vor diesen Spukgestalten. <strong>Die</strong>se<br />

Fremden lassen sich mit lüsternem Grauen die Vorhängchen aufheben von den Götterpaaren,<br />

deren intime Zeugungsarbeit dem Blick der Unberufenen verhüllt ist, und wenn<br />

sie besonders religiös sind, so entsetzen sie sich über den Greuel chinesischen Heidentums<br />

und suchen aus wissenschaftlichem Interesse im stillen eine Nachbildung dieser<br />

entsetzlich pikanten Dinge sich zu verschaffen. In Wirklichkeit haben wir es hier mit<br />

keiner chinesischen Religion zu tun. Der Chinese steht diesen Kulten nicht minder fremd<br />

gegenüber als der Europäer. Es war die Staatsklugheit der Herrscher des Mandschuhauses,<br />

die selber Anhänger des reineren Mahayana-Buddhismus waren, daß sie<br />

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