Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Fünftes Kapitel<br />
<strong>Die</strong> Kämpfe der Diadochen<br />
Yüan Schï K'ai schon hatte es nicht ganz leicht gehabt, die verschiedenen Generale mit<br />
fester Hand zusammenzuhalten. Doch hat er zum mindesten im Norden die Macht<br />
unbedingt besessen. Er hatte immer kluge Männer zur Seite, die dem Militär die Waage<br />
zu halten vermochten. Er versammelte sie in Peking als seine Freunde, die von jedem<br />
Untergebenenverhältnis dispensiert waren und ihm nur mit ihrem Rat zur Verfügung<br />
standen. Unter ihnen ragte an geistiger Bedeutung hervor Hsü Schï Tsch'ang, der den<br />
Titel eines Erziehers des Kaisers bekommen hatte und sich von seiner Ruhe in den<br />
Tsingtauer Hügeln am Meer wenn auch schweren Herzens löste, um seinem Freunde<br />
zu <strong>Die</strong>nsten zu sein.<br />
Nach dem Tode Yüan Schï K'ais regten sich die antagonistischen Kräfte. Auf dem Präsidentenstuhl<br />
saß Li Yüan Hung, ein Mann voll von rechtschaffenen Gesinnungen, der<br />
auch das Parlament wieder berief und mit der Ausarbeitung einer ständigen Verfassung<br />
betraute. Ministerpräsident war Tuan K'i Jui, der fähigste unter Yüan Schï K'ais früheren<br />
Generalen. Er hatte eine Partei oder richtiger einen Klub von Generalen, Staatsmännern<br />
und Finanzleuten um sich versammelt. Nach dem Lokal, in dem sie zusammenzukommen<br />
pflegten, wurden sie der Anfuklub genannt. Sie bestanden zum großen Teil aus<br />
Elementen von der Yangtsegegend. Ihnen gegenüber bildete sich ein anderer Teil der<br />
Militärführer als Tschïlipartei aus, die ihr Haupt in den Generalen der Nordarmee Ts'ao<br />
K'un und Wu P'e Fu hatten. Ts'ao K'un war an sich ein unbedeutender Mensch, der<br />
weiter nichts erstrebte als Genuß der Annehmlichkeiten, wie sie die Macht verleiht. Aber<br />
er war in den Händen ehrgeiziger und gemeiner Menschen. Wu P'e Fu überragte ihn<br />
weit an Bildung und persönlichem Kaliber. Wu P'e Fus Grundsatz war die Einigung<br />
<strong>Chinas</strong> durch Blut und Eisen. Er war aber ständig in Not, die zur Unterhaltung seines<br />
Heeres nötigen Mittel aufzubringen, da die Familie T'sao K'uns in schamloser Weise die<br />
öffentlichen Gelder stahl. Das bildet überhaupt ein charakteristisches Merkmal der Zeit<br />
der Diadochenkämpfe in China, daß die meisten von den Leuten, die auf kürzere oder<br />
längere Zeit zur Macht kamen, in ganz großzügiger Weise sich aus öffentlichen Mitteln<br />
bereicherten. Man hat vielfach in Europa über die Korruption gesprochen, die unter den<br />
Beamten während der letzten Zeiten des Kaisertums geherrscht habe, und es läßt sich<br />
in der Tat nicht leugnen, daß wenigstens einige - längst nicht die Mehrzahl - der höheren<br />
Beamten im Lauf ihres Lebens eine oder mehrere Millionen zusammenbrachten. Aber<br />
diese Beträge verschwinden gegenüber den Beträgen, die im modernen China auf die<br />
Seite gebracht wurden. Man ging jetzt mit wahrhaft amerikanischer Großzügigkeit vor.<br />
Der zehn- und mehrfache Betrag der Summen, die früher in Jahrzehnten aufgesammelt<br />
wurden, kam jetzt in Jahren und Monaten zusammen. Der Unterschied zwischen China<br />
und Amerika ist nur der, daß der amerikanische Staat so ungeheure Einkünfte hat, daß<br />
Skandal auf Skandal folgen kann, ohne daß die Staatskassen sich leeren, während in<br />
China das Geld so knapp ist, daß vom Universitätsprofessor bis zum Polizisten die<br />
Beamten monate- und jahrelang mit ihren Gehältern im Rückstand bleiben müssen,<br />
wenn die Machthaber ihre Beutel füllen.<br />
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