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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Erde war zu einer Terrasse gehäuft: Im Zentrum gelb, im Osten blau, im Süden rot, im<br />

Westen weiß, im Norden schwarz. Ein Stück dieser heiligen Erde bekamen früher die<br />

Lehnsfürsten für ihren Altar. Fiel ein Herrscherhaus, so wurde vom Sieger sein Altar<br />

vermauert und vom Himmelslicht abgeschlossen. Blumen blühen um den Altar der<br />

Ackerkrume und der Hirse. Uralte Lebensbäume wachsen vor der Mauer, in denen alte<br />

Vögel krächzen, ein Teich trennt diese heilige Stätte vom Kaiserpalast mit seinen roten<br />

Mauern und Zinnen und goldgelben, glänzenden Dächern, die sich in seinen stillen<br />

Wassern spiegeln. In den Gängen zwischen den Zypressen drängt sich die Jugend<br />

Pekings, die Studenten und Studentinnen, Familien mit Söhnen und Töchtern, und auch<br />

die kleinen Sängerinnen fehlen nicht. Hügel sind angelegt und Teiche, und kleine Hallen<br />

an den Teichen, in denen man Gelage feiern kann. Vögel schwimmen auf den Teichen,<br />

Kraniche stelzen am Ufer, und rotbemalte Gänse schnattern. Goldfischanlagen stehen<br />

in einer Laube: Viele verschiedene Gefäße sind aneindergereiht, in denen die seltsam<br />

phantastischen Tiere schwimmen mit den Kugelaugen und langen Schleierschwänzen.<br />

Photographen sind zur Hand. Kegelbahnen und Restaurants laden ein. Man kommt und<br />

geht, man ruht und plaudert und verträumt den Nachmittag, man trifft sich hier mit<br />

seinen Freunden, oft sind Ausstellungen hier, oft Massenversammlungen, oft<br />

wissenschaftliche Klubs und oft Partien mit Schauspielerinnen. Am Eingang steht der<br />

frühere Kettelerbogen, mit seinen durch die Zeit schon etwas überholten Inschriften * . Für<br />

Lenin wollen die Studenten ein Monument errichten. So herrscht ein buntes Leben am<br />

Altar der Ackerkrume und der Hirse. <strong>Die</strong> alte Zeit ist hier schon ganz vergessen. Er ist<br />

zum Zentralpark umgewandelt worden.<br />

Doch nun ist es Zeit, dem Kaiserpalast und seiner Anlage sich zuzuwenden. In Europa<br />

gibt es auch prächtige Schlösser, die etwa einen weiten Platz beherrschen, dessen<br />

Gestaltung so abgestimmt ist, daß sie zum Ganzen paßt. Aber in Peking beherrscht der<br />

Palast nicht einen Platz. Er ist eine Stadt für sich, und die ganze Millionenstadt Peking<br />

ist in den Plan dieser Palaststadt hineinkomponiert. Drei Ringe sind dem Palast vorgelegt:<br />

die Chinesenstadt im Süden, durch einen breiten Mauerwall davon getrennt die<br />

Mandschustadt, durch eine weitere Mauer umschlossen die Kaiserstadt, in der die Banneroffiziere<br />

und Hofbeamten wohnten, und endlich durch Wall und Graben von jedem<br />

unbefugten Betreten geschützt die heilige pupurne verbotene Stadt der eigentlichen<br />

Paläste. Wenn man diese großartigste Komposition in Beziehung auf Raumgestaltung<br />

einer ganzen Stadt verstehen will, so muß man im Geist nach Süden wandern bis zum<br />

südlichen Tor der Chinesenstadt. Von da aus zieht sich eine meilenlange gerade Achse<br />

direkt nach Norden. Im Dunst der Ferne taucht am Ende der Straße das Südtor der<br />

Mandschustadt in seinen Umrissen nur eben auf. Der Weg führt am Himmelsaltar zur<br />

Rechten und am Ackerbautempel zur Linken vorüber. <strong>Die</strong> leeren Räume, die sich an die<br />

Straße anschließen, sind besetzt mit Mattenzelten, in denen Tee verkauft wird, Theatertribünen,<br />

Marktbuden. Tagaus tagein ist hier ein geschäftiges Treiben. Dann schließen<br />

sich die festen Gebäude allmählich dichter zusammen. Wenn man die Himmelsbrücke<br />

überschritten hat, wo vor Tagesanbruch Markt gehalten wird, auf dem gar manche<br />

Beutestücke nächtlichen <strong>Die</strong>bstahls zum Verkauf kommen, dann verwandelt sich<br />

die Bretterstadt immer mehr in die Stadt der Kaufleute. Goldverzierte Firmenschilder<br />

hängen senkrecht an den einstöckigen Läden, die mit bunter Pracht und abends mit<br />

tausend elektrischen Lampen ausgestattet sind. Das Gedränge wächst, je näher man<br />

der Mandschustadt kommt. Autos, Rikschas, Pferdewagen chinesischer Art und die<br />

* Vgl. Kap. 11.<br />

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