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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Neuntes Kapitel<br />

Höhlentempel in Yünkang<br />

Tagebuchblätter<br />

1.<br />

Tat'ungfu (Schansi) 2. September.<br />

Bei der Lampe der Herberge sitze ich an einem chinesischen Tisch. Mein Reisebett ist<br />

auf der gemauerten Lagerstätte an der Hinterwand des Zimmers, das übrigens ganz<br />

reinlich ist, schon aufgeschlagen. Draußen steht der klare Herbstmond am Himmel, der<br />

den Wanderern leuchtet auf ihren Wegen. Den Tag über ging die Reise zu Bahn etwa<br />

400 Kilometer weit. Um sieben Uhr morgens war ich vom Südtor von Peking<br />

abgefahren. Zunächst ging es im Ringzug um die ganze Mandschustadt mit ihren<br />

Mauern und Toren herum bis zum nordwestlichen Stadttor, wo der Zug nach Tat'ungfu<br />

in Schansi, unserem heutigen Reiseziel, abfahren sollte.<br />

<strong>Die</strong> Reise ging erst durch die Ebene nach Norden bis Nank'ou, wo die<br />

Gebirgslokomotive angekoppelt wird, die den Zug über die recht beträchtliche Paßhöhe<br />

zieht. Bei Ts'inglungk'iao, der Brücke des schwarzen Drachens, durchschneidet die<br />

Bahn den innersten Ring der großen Mauer, das gewöhnliche Ziel der Reisenden, die<br />

die chinesische Mauer sehen wollen. Von dort aus geht es durch Tunnel und<br />

Felsentäler, durch steinige Flächen an kahlen Bergen vorüber immer weiter der<br />

Karawanenstraße entlang nach Nordwesten. Um drei Uhr nachmittags erreichen wir<br />

Kalgan, die Grenzstadt nach der Mongolei zu. <strong>Die</strong> Stadt liegt in einem weiten Kessel<br />

zwischen Bergen und erinnert insofern irgendwie an die Lage der Orte am Südfuß der<br />

Alpen. <strong>Die</strong> Häuser sind alle aus Lehm, niedrig, mit flachen Dächern. Mit ihren vielen<br />

Herbergen gleicht die Stadt weit eher einer Karawanserei, als einer festen Siedlung.<br />

Hier tritt der äußere Ring der großen Mauer, die eigentliche Schutzwehr gegen die<br />

wilden Nordvölker, ganz nahe an die Bahnlinie heran. Von hier aus windet sich die Bahn<br />

ein Lößtal zwischen zwei Höhenzügen hinauf nach Südwesten. Das Flußtal ist sehr<br />

malerisch, besonders jetzt, da alles grün steht, und das breite Flußbett von braunen,<br />

schnellfließenden Wasserläufen durchzogen ist. Man sieht es der Gegend an, daß sie<br />

ein Gebiet der Grenzwacht war. Überall auf den Höhen Türme für Feuersignale und in<br />

den Tälern am Fluß ummauerte und mit Wachtürmen versehene Militärlager, die nun<br />

längst zerfallen sind. Auch die Dörfer und Städte sind ummauert. All diese<br />

Befestigungen sind längst überflüssig geworden, seit die Mongolei zu China gehört und<br />

keine Einfälle mehr stattfinden. Aber es ist ein erloschener Vulkan, der immer einmal<br />

wieder erwachen kann. Allerdings ist das in der nächsten Zeit nicht zu befürchten. <strong>Die</strong><br />

Mongolei hat sich selbständig gemacht. <strong>Die</strong> chinesischen Truppen des Generals Hsü<br />

sind von den Truppen des Barons Ungern-Sternberg aufgerieben worden, und ihre<br />

Gebeine sollen noch jetzt in der Sonne bleichen. Aber auch das Glück jenes kühnen<br />

Söldnerführers blieb nicht treu. Er wurde von den russischen Bolschewisten aufgerieben<br />

und getötet. <strong>Die</strong> Mongolei hat sich unter bolschewistischer Leitung zu einer<br />

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