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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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durch die Luft, und all das blühende Leben stob auseinander. Eben hatte der greise<br />

Erzieher des jungen chinesischen Kaisers einen Besuch in Tsingtau gemacht und war<br />

mit einigen Freunden in das märchenumsponnene Laoschangebirge gefahren, da<br />

schlug wie ein Blitz die Verkündung des Belagerungszustandes ein. Mit Mühe gelang es<br />

mir, die Herren, die auf offener Landstraße aufgehalten worden waren, freizubekommen<br />

und sicher auf die Bahn zu bringen, die sie nach Peking zurücknahm. Als der Krieg in<br />

Europa erklärt wurde, begann zwar schon die Flucht der ängstlicheren Gemüter. Aber<br />

die besonneneren Elemente blieben. Man traute Deutschland zu, daß es Tsingtau<br />

würde halten können. Mehrere Freunde unter den Chinesen warnten aber schon damals<br />

vor Japan, das nur abwarte, ehe es den Krieg erkläre. Schließlich kam auch die<br />

japanische Kriegserklärung. Nun war kein Halten mehr. Auch das Gouvernement sprach<br />

den Wunsch aus, daß die chinesischen Gäste, soweit sie eine Belagerung nicht<br />

mitzumachen wünschten, sich in geschütztere Regionen begeben. Der Andrang nach<br />

der Bahn war unbeschreiblich. Ich richtete mit meinen Freunden eine Filiale des<br />

chinesischen Roten Kreuzes ein, zu der auch die deutsche Regierung ihre Zustimmung<br />

gab. <strong>Die</strong> erste Tätigkeit dieser Organisation bestand darin, den Nichtkombattanten zu<br />

sicherem Abzug zu verhelfen. Das war nicht immer ganz leicht, denn einzelne Polizisten<br />

hatten den Kopf verloren und requirierten alles, was ihnen an Wagen, Autos, Fahrrädern<br />

auf der Straße begegnete, und als sie Arbeiter für die Festungswerke beschaffen<br />

sollten, begannen sie aufzugreifen, wen sie des Weges kommen sahen. Da aber die<br />

höheren deutschen Beamten voll guten Willens waren, so gelang es ohne große<br />

Schwierigkeit, unfreiwillig Aufgegriffene wieder loszubekommen. Natürlich steigerten<br />

diese Ereignisse die Panik noch mehr. Doch gelang es dank dem verständnisvollen<br />

Zusammenwirken der in Betracht kommenden Stellen, alle Abwanderer in Sicherheit zu<br />

bringen. Besonders schlimm war, als in den ersten Tagen des Kriegs sintflutartige<br />

Monsunregen einsetzten, die bald die Bahnlinie überschwemmten und beschädigten, so<br />

daß der Verkehr über Land eingestellt werden mußte. Ein reicher Schanghaier bestellte<br />

dann unter allseitigem Einverständnis der kriegführenden Mächte einen chinesischen<br />

Dampfer für sich und seine Familie. Er hatte auch die Erlaubnis gegeben, daß sonst<br />

noch einige Chinesen mitgenommen werden sollten. Ein unglaubliches Gedränge war<br />

die Folge. Kaum hatte der Dampfer angelegt, war er schon von Tausenden von<br />

Passagieren besetzt. Szenen von namenloser Aufregung kamen vor. Ein Kaufmann<br />

stand an Bord, aber sein Gepäck konnte von den Trägern nicht durch das Gewühl<br />

geschafft werden. Er sah es vor Augen, aber er konnte es nicht bekommen. Er schrie,<br />

befahl, drohte, nichts half. Schließlich sprang er fortwährend wohl drei bis vier Fuß in die<br />

Höhe. Ich habe nie einen Menschen in solcher Ekstase gesehen. Als dann der Besitzer<br />

des Schiffs mit seiner Familie ankam, war es so voll, daß es mir nur mit größter Mühe<br />

gelang, ihm noch einen Platz zu verschaffen. Endlich war auch dieses letzte Schiff fort<br />

und in Sicherheit. -<br />

Unter den Flüchtlingen befanden sich merkwürdige Gestalten. Besonders ist mir noch in<br />

Erinnerung ein gewisser Hung Schu Tsu. Er war des Mords an dem Führer der<br />

Südpartei der Republikaner, Sung Kiao Jen, beschuldigt und hatte sich nach Tsingtau<br />

geflüchtet. Er war ein fetter, schwerer Mann. Er hatte sofort das Haus eines Beamten<br />

gekauft, weil er sich darin sicherer fühlte. Aber er war das Bild des von Furien<br />

gepeinigten bösen Gewissens. Keinem konnte er in die Augen sehen. <strong>Die</strong> trockene<br />

Zunge beleckte fortwährend die ausgedörrten Lippen in vergebenem Bemühen sie<br />

anzufeuchten. Er war in steter Furcht ausgewiesen zu werden, denn dann war er des<br />

Todes. <strong>Die</strong> Kriegsfurcht erwies sich aber schließlich doch als stärker. Er kam auch zu<br />

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