Die Seele Chinas - Chinaseiten
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verklären und läutern. So begründete er die Sippe als Grundlage der Gesellschaft.<br />
Innerhalb der Sippe leben natürliche Gefühle der Zuneigung. Eltern und Kinder lieben<br />
einander aus freiem Instinkt, ebenso Mann und Frau und die Geschwister untereinander.<br />
<strong>Die</strong>se Nächstenliebe ist kein schweres Muß, sondern reiner selbstverständlicher<br />
Naturtrieb. Es gilt nur, diese Triebe zu formen, daß sie harmonisch ineinandergreifen,<br />
daß bei aller Gemeinsamkeit des Gefühls Ordnung und Zucht gewahrt bleibt. Es entspricht<br />
dem Namen Vater, daß er seine Liebe dem Sohn gegenüber anders gestaltet als<br />
der Sohn dem Vater gegenüber. Der rechte Vater hat eine zärtliche Fürsorge für seinen<br />
Sohn, der rechte Sohn einen verehrungsvollen Gehorsam gegen den Vater. Der rechte<br />
Gatte übt eine gütige Rücksicht gegen die Gattin, die rechte Gattin weiß sich ihrem<br />
Gatten in Grazie zu fügen. Der ältere Bruder hilft seinem jüngeren Bruder und schützt<br />
ihn, der jüngere ordnet sich unter und gibt nach. So gestaltet sich die Familie zur<br />
Harmonie ihrer Beziehungen, und die Liebe wird verklärt durch die sanfte Leitung der<br />
Sitte. Von der kultivierten Natur der Sippe ist dann der Übergang nicht schwer zur<br />
natürlichen Kultur des Staates. Das Gefühl der ehrfurchtsvollen Liebe zum Vater, der<br />
freundschaftlichen Unterordnung unter den älteren Bruder wird zur Pflicht der Treue<br />
gegenüber dem Fürsten und der Unterordnung unter die Vorgesetzten und umgekehrt.<br />
So wird die Pflicht zur erweiterten Liebe und der Staat zur erweiterten Familie. Aber der<br />
Blick bleibt bei keinem begrenzten Gebilde haften. Wie sich der Himmel allgegenwärtig<br />
über die Erde schützend breitet, so bleibt die letzte Einheit der Kultur die Menschheit,<br />
harmonisch geordnet durch die Auswirkung letzter Ideale.<br />
<strong>Die</strong>s sind die Grundgedanken, die Konfuzius der chinesischen Kultur unverlierbar eingeimpft<br />
hat. Mit dem Gesetz der Wandlung alles Irdischen ist es gegeben, daß ein solcher<br />
Zustand des Friedens, da Himmel und Erde in Verbindung sind, Obere und Untere<br />
vereinigt sind, da die Edlen herrschen und die Gemeinen dienen, keine Dauer besitzt.<br />
»Keine Ebene, auf die nicht ein Absturz folgt, kein Hingang, auf den nicht die Wiederkehr<br />
folgt: das ist die Grenze von Himmel und Erde.« So kommen auf Zeiten der Ordnung<br />
und des Friedens notwendig Zeiten des Chaos und der Stockung. Aber in dieser<br />
Gesetzmäßigkeit liegt auch ein Trost. So oft auch die chinesische Welt in Revolution<br />
und Chaos gestürzt wurde, immer wieder haben sich Ordnungsmenschen gefunden, die<br />
den Frieden wiederhergestellt haben durch Anwendung der ewigen Gesetze der Harmonie.<br />
Man hat China oft mit einem in sich gefestigten Würfel verglichen: Er mag wohl<br />
umfallen; aber auf welche Seite er auch fällt, er kommt immer wieder ins stabile Gleichgewicht.<br />
<strong>Die</strong> südliche Richtung der chinesischen Kultur zeigt andere Züge. Während der Norden<br />
auf die Organisation der Menschheit sich konzentriert, sein »Sinn« der Sinn des Edlen<br />
ist, sucht der Süden den Menschen zu verstehen im allgemeinen Naturzusammenhang.<br />
Laotses »Sinn« ist der Sinn des Himmels. Für ihn ist der Mensch einfach ein Teil der<br />
Natur. Alles, was die Natur beherrscht und vergewaltigt, ist vom Übel. Rückkehr zur<br />
Natur ist das einzige Heil. Laotse hat den Weg vorbereitet für die Einflüsse, die später<br />
durch den Buddhismus in China eingedrungen sind. <strong>Die</strong>se Lebensform findet sich mehr<br />
im Stromsystem des Yangtse. Dort war von jeher eine Verbindung mit maritimen Einflüssen.<br />
Der Yangtse ist ein wohlschiffbarer Fluß. So waren denn seine Mündungsgebiete<br />
früher der Schauplatz von Kulturstaaten, die in losem Zusammenhang mit der chinesischen<br />
Kultur standen, als sein Mittel- und Oberlauf. Es ist nicht Zufall, daß die<br />
Sagen hier immer wieder vom »Südmeer« sprechen, aus dem Götterbilder und Heilige<br />
angeschwommen kamen. <strong>Die</strong> Insel Putou, wo der »Heilige des Südmeers, der große<br />
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