Die Seele Chinas - Chinaseiten
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ließ er sie im Stich und wandte sich anderen Dingen zu. Mit der Zeit kam er zu der<br />
Erkenntnis, daß er selber auch nichts Besseres war als ein Schwein. An sich habe er<br />
sich ziemlich leicht mit dieser Tatsache abgefunden; denn jedes Wesen hat vor allen<br />
Dingen die Liebe zum Leben und ist zufrieden damit, zu sein, was es ist. Aber eine tiefe<br />
Sorge habe sich seiner bemächtigt, als er bemerkte, wie die Menschen in der Umgebung,<br />
die er bisher kaum beachtet hatte, ein Auge auf ihn warfen. »Nun ist er fett<br />
genug!« hieß es eines Tages, man band ihm Hände und Füße zusammen, schlug ihm<br />
einen Haken ins Ohr und hob ihn an Ohr und Schwanz auf einen Wagen. Alles Schreien<br />
und Sträuben war vergeblich. Nun sei eine Zeit des Leids über ihn gekommen.<br />
Zusammengeworfen mit zahlreichen Unglücksgenossen, habe er unter den Qualen des<br />
Hungers und Durstes, der Erschütterung und der schmerzenden Fesseln eine lange<br />
Reise durchgemacht. Entsetzlich war der Markt, das Wehgeschrei der Unglücklichen,<br />
die von Weib und Kind hinweggerissen wurden einem qualvollen Tod entgegen.<br />
Schließlich sei die Reihe auch an ihn gekommen. Ein betäubender Schlag auf den Kopf,<br />
ein Stich, und er fühlte sein Blut rinnen. Dann aber sei erst das Entsetzlichste<br />
gekommen: die Hitze kochenden Wassers, in das man ihn warf, das Ausziehen der<br />
Haare, Ausweiden, Zerteilen. Alles habe er unter entsetzlichen Vernichtungsgefühlen<br />
erlebt. Dann sei er auf den Markt gekommen, und jedes Pfund Fleisch, das ihm abgeschnitten<br />
worden, habe er mit immer neuer Qual empfunden. Schließlich bei Sonnenuntergang<br />
habe eine alte Frau den letzten Rest Fleisch in ihren Korb getan, dann habe<br />
er das Bewußtsein verloren. Als er wieder zu sich kam, vernahm er die Stimme eines<br />
Richters, daß er nun genug gebüßt habe und wieder zurück dürfe auf die Erde. Sofort<br />
schleppte ihn eine Herde von Teufeln unter Grinsen und Toben davon, Er hatte nämlich<br />
inzwischen seine alte Gestalt wiederbekommen. Sie wollten ihm seine schwarze Atlasjacke<br />
nehmen. Aber er wollte sie ihnen nicht lassen. Schließlich begannen sie ihn zu<br />
zwicken und zu kneipen und ihm das Kleidungsstück in Fetzen vom Leib zu reißen. Je<br />
mehr er sich wehrte, desto heftiger zerrten sie. Zum Schluß hatte er nur noch einen<br />
Ärmel an. Da faßte er mit der letzten Kraft den Rand des Ärmels mit der Hand und<br />
sprach: »Ich gebe meine Jacke nicht her.« Aber schon hatte man ihn in das Rad gestoßen<br />
und gedreht. So kam er als Mensch wieder zur Welt. Aber an der einen Hand hatte<br />
er ein paar Finger, die sahen aus wie Schweineklauen. Auch hatte man vergessen, ihm<br />
von dem Wasser der Vergessenheit zu trinken zu geben; darum behielt er die Erinnerung<br />
an alle diese Vorgänge. Nie konnte er sie ohne Schauder und Tränen erzählen,<br />
und sein ganzes Leben lang hat er sich der Frömmigkeit und Heiligkeit beflissen.<br />
Was nun den Ahnenkult anlangt, so bezieht sich der auf ein ganz anderes Gebiet. <strong>Die</strong><br />
Begräbnissitten enthalten in ihrer heutigen Form freilich manches, was aus den bisher<br />
gezeichneten Anschauungsformen hervorgeht. In der chinesischen Kultur treffen so<br />
viele verschiedene Elemente zusammen, daß das nicht wunderbar ist. Aber im allgemeinen<br />
sind die Trauergebräuche und der Ahnenkult, so wie sie im Konfuzianismus sich<br />
herausgebildet haben, eine durchaus patriarchalische Einrichtung. Zu denken gibt, daß<br />
in alten Zeiten der Vertreter des verstorbenen Ahns bei den Opfermahlzeiten, der sogenannte<br />
Totenknabe, in der Regel der Enkel des Verstorbenen war. Das läßt darauf<br />
schließen, daß der Ahnenkult ursprünglich nicht mit einem dauernden Weiterleben der<br />
Ahnen im Jenseits, sondern mit einer in der Regel in der übernächsten Generation<br />
erfolgenden Wiederverkörperung rechnete. Gewiß wurden bei den höheren Ständen<br />
Ausnahmen gemacht. Durch den richtigen <strong>Die</strong>nst der Ahnen wurde diesen sozusagen<br />
Kraft zugeführt, ebenso wie sie ihre Hinterbliebenen segnen konnten, so daß eine längere<br />
persönliche Fortdauer möglich war. Aber nach einer gewissen Anzahl von Genera-<br />
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