Die Seele Chinas - Chinaseiten
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geschlossen werden. Sie kündet die Nacht an. Steil geht die Treppe durch einen dunklen<br />
Tunnel nach oben. Rings um den Turm führen etwas schräg nach unten abfallende<br />
Galerien, von denen häufig die Geländer teilweise in die Tiefe stürzen. Oben im Gebälk<br />
girren die Tauben, und weit hinaus schweift der Blick über die Dächer und Bäume von<br />
Peking und die Ebene, die im Norden und Westen von den Grenzhügeln abgeschlossen<br />
wird. Dort schwingt sich über die Kämme der Berge und durch die Schluchten der Täler<br />
die große Mauer ...<br />
<strong>Die</strong> Mongolen wurden von einem früheren Mönch verjagt, als ihre Zeit vorüber war. Im<br />
Herzen von China, am Yangtse, in Nanking, wurde die neue Hauptstadt gegründet.<br />
Nicht lange blieb sie dort. Der dritte Herrscher des Minghauses, Yunglo, war ein gewissenloser<br />
Mann, der seinem Neffen Thron und Leben raubte. Aber er war von starkem<br />
Kaliber. Er sah mit genialem Blick die Lage. Er wußte, daß es um die Macht der Ming<br />
gar bald getan sein werde, wenn sie im Süden bleiben würden, weit entfernt von dem<br />
Grenzwall, der aufs neue ausgebaut werden mußte gegen die noch immer nachdrängenden<br />
nordischen Scharen. So verlegte er die Hauptstadt wieder nach Norden in die<br />
Nähe des alten Mongolenlagers. Das war das zweite Peking. Aus jener Zeit stammt die<br />
Anlage der meisten Paläste, Tempel und Mauern, der sogenannten inneren, nördlichen<br />
Stadt. Damals wurde noch für die Ewigkeit gebaut. Was sind das für Mauern, die im<br />
Geviert die Stadt umschließen! Aus riesengroßen Backsteinen sind sie gebaut und so<br />
breit, daß bequem drei Wagen oben auf ihnen nebeneinander fahren können. In ihrer<br />
ganzen Ausdehnung sind sie sorgfältig gepflastert und mit Zinnen und Schießscharten<br />
versehen. Man braucht einen ganzen Tag, wenn man zu Fuß die Mauer umschreitet.<br />
Was der Bau dieser Mauer für eine Leistung war, konnte man daraus ermessen, daß,<br />
als kürzlich ein kleines Stück einer weit bescheideneren inneren Mauer niedergelegt<br />
wurde, monatelang daran gearbeitet werden mußte. Man konnte das Material an Steinen<br />
und Ziegeln, das frei wurde, kaum verwerten. Man mußte mit dem Abreißen<br />
schließlich aufhören, weil es zu kompliziert und teuer geworden wäre. Was muß da erst<br />
das Aufbauen für ein Werk gewesen sein! Man kann ruhig sagen, daß trotz aller<br />
modernen Technik sich heutzutage gar nicht mehr die Geldmittel beschaffen ließen, um<br />
solch gigantische Bauwerke zu errichten, wie sie in jenen Tagen aus der Erde stiegen.<br />
Aber auch die Mingdynastie ging schließlich wie so viele ihrer Vorgängerinnen unter an<br />
der Üppigkeit und Gewissenlosigkeit der Männer auf dem Thron. Innerer Aufruhr erhob<br />
sein Haupt. <strong>Die</strong> Unruhen, die so entstanden, benützte der ostmongolische Volksstamm<br />
der Mandschus, um sich in <strong>Chinas</strong> innere Kämpfe zu mischen. Und nachdem der letzte<br />
bedauernswerte Herrscher der Ming auf der Flucht vor dem Eindringen der Rebellen an<br />
einem Lebensbaum auf dem sogenannten Kohlenhügel hinter dem Palast sich erhängt<br />
hatte, da stürmten die mandschurischen Scharen herbei und rächten das untergehende<br />
Haus der Ming an den Empörern. <strong>Die</strong>se wurden vertrieben und getötet, und die Mandschuhäuptlinge<br />
bestiegen den Drachenthron. <strong>Die</strong> Hauptstadt blieb Peking. <strong>Die</strong> neue<br />
Dynastie, die sich die »Große Reine« (Ta Ts'ing) nannte, gebärdete sich als Rechtsnachfolgerin<br />
der »Großen Klaren« (Ta Ming) Dynastie. Darum wurden deren Erdaltäre<br />
nicht zerstört. <strong>Die</strong> Gräber im Norden von Peking ließ man unversehrt, und auch der<br />
letzte Herrscher fand mit seinem treuen Eunuchen, der mit ihm gestorben war, ein Grab<br />
in der Nähe seiner Ahnen. Der Kaiser Kienlung ließ der verflossenen Dynastie mitten in<br />
der Geisterstraße, die zu den Gräbern führt, eine große Steintafel errichten, auf der er<br />
ihr Geschick beklagt, während vier Hunde auf Säulen ringsumher trostlos gen Himmel<br />
heulen. <strong>Die</strong> Paläste und ihre Schätze wurden vom Sieger übernommen. Alles wurde<br />
ausgebaut und erneuert. <strong>Die</strong> kaiserliche Stadt der Ming wurde für die Bannerleute, die<br />
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