Die Seele Chinas - Chinaseiten
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hat im letzten Jahrhundert eine mechanische Zivilisation geschaffen, die alles übertrifft,<br />
was seit Menschengedenken auf der Erde sich fand. Nicht nur eine einzelne Kultur,<br />
sondern die ganze Menschheit ist in diese Periode eingetreten. Zum erstenmal wirken<br />
Maschinen mit, die nicht mehr auf menschliche oder tierische Kraft angewiesen sind,<br />
sondern das mechanische Reich in ihren <strong>Die</strong>nst gezwungen haben. Höchstens die Zeit,<br />
da der Mensch die Kräfte des Tieres in seine <strong>Die</strong>nste zwang, ist in der Menschheitsentwicklung<br />
solch ein Einschnitt gewesen. Vielleicht hat dieser Umschwung das Patriarchat<br />
an die Stelle des Matriarchats gesetzt, weil zum Pflügen mit Stieren größere Kräfte nötig<br />
waren, als sie die Frau besaß, die bisher den Hackbau betrieben hatte. Heute ist der<br />
umgekehrte Fall eingetreten. Während das Zugtier das stärkere Geschlecht zur Herrschaft<br />
brachte, wirkt die Maschine nivellierend. Sie erspart Kräfte. Frauen und Kinder<br />
können sie nahezu ebensogut bedienen wie der Mann. Darum wirkt die Maschine proletarisierend.<br />
Damit aber hört nicht nur die patriarchalische Ehe auf, sondern auch der<br />
heroische Patrimonialstaat, und die Masse siegt.<br />
<strong>Die</strong>se Eigenschaft der Maschinenzivilisation ist es auch, die ihr auf der ganzen Erde<br />
Eingang verschafft hat. Wo sie hinkommt, verschwinden die autochthonen Kulturen. Sie<br />
wirkt vernichtend auf alle anderen menschlichen Daseinsformen, wie das Vorhandensein<br />
der Wanderratte der Hausratte ein Ende bereitet. Der stolze federgeschmückte<br />
Indianerhäuptling mit seinem scharfen zur Jagd geeigneten Adlerauge, der prächtige<br />
Maori in seinem Schmuck von Kräuselhaar und Muscheln, der Negerfürst in seinem<br />
Kriegerschmuck: sie alle werden zu dürftigen Proletariern, wenn sie in der phantasielosen<br />
europäischen Kleidung einhergehen und alle Eigenart sich in Ungewandtheit des<br />
Benehmens verwandelt hat. Aber die Maschinenkultur vernichtet alles andere, weil sie<br />
zu einfach ist. Wenn man die Wahl hat, ob man sich Feuer bohren will aus wohlgewählten<br />
Hölzern oder ein Streichholz anstecken, so setzt sich das Streichholz mit<br />
absoluter Sicherheit durch; denn es hat die Logik des Gesetzes der Kraftersparnis für<br />
sich. So geht es schließlich mit fast allem Mechanischen; denn es bedarf weder der<br />
Weisheit noch der Kraft, sondern nur der Geschicklichkeit und der Übung.<br />
Auch China ist daher von der westlichen mechanischen Kultur des Lebens überrannt<br />
worden. Aller Widerstand half nichts. Der Westen kam aber nach China in besonders<br />
unsympathischer Form, die aufreizend wirken mußte: mit bloßer Gewalt und Ausbeutung<br />
ohne jede moralische Überlegenheit oder Schönheit. Aber was er brachte, war<br />
praktisch und einfach. Es mußte sich durchsetzen. Es ist auf die Dauer eine Unmöglichkeit,<br />
sich mit dem Handspinnrad gegen eine Dampfspinnerei zu wehren. Das kann aus<br />
innerer Begeisterung vielleicht eine Zeitlang gelingen, auf die Dauer ist es zum Mißerfolg<br />
notwendig verurteilt. Gewiß, China ist ein ungeheures Agrarland, und es wird noch<br />
sehr lange dauern, bis es durchindustrialisiert sein wird, aber für das Prinzipielle an der<br />
Sache kommt alles darauf an, was in den führenden Großstädten geschieht; denn für<br />
die Kulturgestaltung ist maßgebend nicht das flache Land, sondern der kleine Kreis der<br />
Elite der Intellektuellen, und diese rezipieren die westliche Kultur in vollen Zügen.<br />
Hieraus ergaben sich nun, wie wir gesehen haben, bedeutende Umgestaltungen des<br />
gesamten geistigen Lebens. Im Tosen der Maschinen gelten andere Relationen als in<br />
der Naturverbundenheit einer auf Handarbeit und Ackerbau gegründeten Kultur. <strong>Die</strong><br />
Folgen für China blieben auch nicht aus. Langsam und widerstrebend im Anfang, in<br />
immer beschleunigterem Tempo im Fortgang, bröckelte ein Stück nach dem andern ab<br />
von dem imponierenden Bau, den alte Meisterschaft errichtet hatte. <strong>Die</strong> Jugend stürzte<br />
sich mit einem wahren Heißhunger auf das Westliche. Man begann sich des Alten, Chinesischen<br />
in allen Dingen zu schämen. In der Kleidung nicht minder wie in der Weltan-<br />
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