Die Seele Chinas - Chinaseiten
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ist ein chinesisches Sprichwort, das in ganz China wohl erwogen werden muß, wenn<br />
man mit seiner Wohltätigkeit nicht in die Brüche gehen will.<br />
Allmählich kommt man auf steilen Wegen in immer größere Höhen, wo auch die Bäume<br />
zurückbleiben. Ein kleines Teehaus ist bei den »fünf Würdenträgern«, einigen Kiefern,<br />
unter denen ein Kaiser im Regen Schutz gefunden. Es sind keine fünf mehr. Der Blitz<br />
hat kürzlich eine von ihnen zerspellt. Dann geht die steile Treppe hinauf zum südlichen<br />
Himmelstor. <strong>Die</strong> Stufen sind schmal und beinahe kniehoch. Rechts und links drohen<br />
überhängende Felsen, und unten öffnet sich die Tiefe. Manche der Stufen geben nach,<br />
wenn man darauf tritt, andere sind weggebrochen oder schräg. Man darf nicht unter<br />
Schwindel leiden, wenn der Aufstieg ein Vergnügen sein soll, namentlich nicht bei<br />
feuchtem Wetter, wenn die moosigen Steine schlüpfrig werden und Nebelschwaden hin<br />
und wieder flattern, wodurch die gähnende Tiefe sich bewegt, bald sich schließt, dann<br />
wieder plötzlich dunkle Abgründe auftut, so daß alles schwindelnd und unsicher wird.<br />
Für schwindlige Pilger sind zu beiden Seiten der Treppe Ketten angebracht. <strong>Die</strong> helfen<br />
aber auch nicht viel, da sie auf weite Strecken zusammengebrochen sind und<br />
keineswegs das Gefühl der Sicherheit geben. Das beste ist, ruhig und stetig<br />
voranzuschreiten, wie es im Märchen heißt: »Schau dich nicht um, nicht rechts, nicht<br />
links: gerade zu, so hast du Ruh.« So kommt man auch vors Himmelstor und kommt<br />
hinein. Ich traf einmal an jener Stelle ein altes chinesisches Mütterlein, das mit seinem<br />
Pilgerstab und seinen kleinen gebundenen Füßen gar wacker emporkletterte. Ich fragte<br />
sie nach ihrer Herkunft. Sie war viele Meilen weit gelaufen, und doch war sie heiter, ja,<br />
von einer fast ausgelassenen Munterkeit. Ich fragte, warum sie denn die schwere<br />
Pilgerfahrt begonnen. Da sagte sie: »Sie ist nicht schwer, die Pilgerfahrt. Ich bin nun 70<br />
Jahre alt, und mein Leben liegt hinter mir. Ich habe nichts mehr zu hoffen, noch zu<br />
fürchten Aber daß ich so weit bin, daß der alte Himmelsvater mir all die vielen Jahre<br />
durchgeholfen, als ich Söhne und Enkel großzog und unter all der Not und Last des<br />
Lebens, das macht mich dankbar. Das will ich doch zum Schluß auch ihm noch zeigen.<br />
Darum komme ich, ihn zu besuchen. Ich begehre nichts, ich meide nichts. Ich bin ganz<br />
ruhig. Und so ward mir der Weg nicht schwer.« Ich mußte noch oft an die fröhliche Alte<br />
denken und an ihren Besuch beim Himmelsvater auf dem Taischan. -<br />
Tritt man zum südlichen Himmelstor ein, so kommt man plötzlich in einen ganz<br />
besonderen Bezirk. Eine Tempelstadt erhebt sich dort. Erst kommen die Hütten, in<br />
denen Träger und Pilger übernachten, dann kommen eine ganze Anzahl von Tempeln<br />
und heiligen Stätten. Der Tempel der alten Mutter vom Taischan ist der größte. Hier<br />
waltet ganz besondere Kraft. Der Berggeist ist, wie wir gesehen, der Herr über Leben<br />
und Tod. Wie man in seinem Tempel die Todesfälle meldet, damit die Toten im Jenseits<br />
ihr Geleit finden, so hat die alte Mutter vom Taischan auch die Macht, Leben zu<br />
spenden. Frauen, die gerne Nachkommenschaft, besonders Söhne wünschen, kommen<br />
her zum Opfern. <strong>Die</strong> Opfer sind gar mannigfaltig. Um den Altar ist ein vergitterter<br />
Verschlag, in den die Gaben geworfen werden. Da kann man viele Geldstücke finden.<br />
Auch ungemünztes Silber und Schmuck wird gespendet. <strong>Die</strong> Armen, die nichts anderes<br />
haben, opfern wohl ein Stückchen Brot. Über Nacht verschwinden dann die<br />
Nahrungsmittel. Es gibt unendlich viele Tempelratten, die sich hier gütlich tun. Es ist<br />
aber immer ein gutes Zeichen, wenn so ein Opfer von der Gottheit angenommen wird.<br />
Auch die Gaben an Silber und Gold werden von Zeit zu Zeit entnommen. Sie sollen zur<br />
Instandhaltung des Tempels dienen. Reiche Spenden an Opfergefäßen, ganze Kapellen<br />
aus Bronze, vergoldete Bronzesiegel sind Zeugen von der lebenspendenden Macht der<br />
großen Göttin. Nicht nur in China glaubt man an ihre Macht. Auch manche Fremde<br />
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