Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Führer der Bewegung erhoben. * Der Aufstand verbreitete sich wie ein Flugfeuer. ** <strong>Die</strong><br />
Luft war voll von Revolution, und ihre Gegner verloren die Besinnung. <strong>Die</strong> kaiserlichen<br />
Beamten haben zum größten Teil, soweit sie nicht offen ins revolutionäre Lager<br />
übergingen, ihre Stellungen fluchtartig verlassen. Sie wandten sich nach Hongkong,<br />
Schanghai, Tientsin und ganz besonders nach Tsingtau: überall dahin, wo sie vor dem<br />
Ansturm der Revolutionäre sicher sein konnten. <strong>Die</strong>ser fluchtartige Rückzug der<br />
Großwürdenträger ist eine sehr außerordentliche Erscheinung und ist ihnen von<br />
europäischer Seite vielfach als Feigheit ausgelegt worden. In Wirklichkeit lagen die<br />
Dinge anders. Ganz ähnlich wie die deutsche Revolution war die chinesische nicht nur<br />
ein Sieg der revolutionären Partei, sondern ein Zusammenbruch der Monarchie in sich<br />
selbst. Wo von oben her die klaren Direktiven fehlen, ist es den Beamten unmöglich,<br />
stark zu sein, weil sie keinen Augenblick sicher sind, wie weit sie in ihren Handlungen<br />
von der kopflos gewordenen Zentralregierung überhaupt noch gedeckt werden. <strong>Die</strong><br />
chinesischen Beamten haben sich während der Revolution zurückgezogen, und die<br />
konsequenteren unter ihnen verharren bis an ihr Ende in selbstgewählter Verbannung.<br />
Aber keiner von ihnen hat Memoiren veröffentlicht.<br />
Allein die Sache der Dynastie war keineswegs verloren. <strong>Die</strong> Nordtruppen waren im allgemeinen<br />
treu geblieben und begannen auf der ganzen Linie siegreich vorzurücken.<br />
Aber das lag nicht im Interesse des stillen Anglers Yüan Schï K'ai, dessen Weizen nun<br />
zu reifen begann. Er hatte nämlich bei Hofe seine Beziehungen. Als die Dinge nun<br />
* Li Yüan Hung, jetzt ein älterer Herr, ist der gutmütigste und unrevolutionärste Mensch, den man sich<br />
denken kann. Aber es ist eine Art von Humor der Weltgeschichte, daß gerade ihn ein Schicksal traf, dem<br />
er nicht gewachsen war. So wirkt denn dieses Schicksal grotesk. Er kam an die Spitze der Revolution,<br />
ohne daß er wußte wie. Er wurde dadurch Generalgouverneur von Wutsch'ang, später als Vizepräsident<br />
von Yüan Schï K'ai in intimen Gewahrsam gehalten und von seinen Truppen entfernt, nach Yüan Schï<br />
K'ais Tod Spielball der Militaristen, die ihn zum Präsidenten der Republik machten oder wegjagten, wie es<br />
ihnen gefiel. Zum letzten Male wurde er zum Präsidenten der Republik China gemacht im Jahre 1922, als<br />
sein klügerer Vorgänger Hsü Schï Tsch'ang erkannte, daß die Stellung eines friedlichen Präsidenten<br />
inmitten der feindlichen Wölfe und Tiger auf allen Seiten nicht wünschenswert sei, und abdankte. Li Yüan<br />
Hung wußte damals genau, was ihm drohte, als eine Kommission der Heerführer kam, um ihn zum<br />
Präsidenten zu ernennen. Er stellte Bedingungen: Wiedereinführung des Parlaments und Abschaffung<br />
des Militarismus. Man erklärte ihm, das alles werde sich schon finden, wenn er erst Präsident sei. Er<br />
wollte nicht. Sie knieten vor ihm nieder. Er kniete mit. Sie blieben knien, bis er schließlich müde wurde<br />
und das Amt antrat, das er nicht wollte. Als dann Ts'ao K'un, der Marschall der Truppen des Nordens,<br />
soweit war, daß er für den Präsidentenstuhl sich reif fand, ließ er den Präsidenten Li Yüan Hung durch<br />
seine Kreaturen auf die schmählichste Weise - durch Unterbindung von Licht, Telephon, Fäkalienabfuhr<br />
usw. und Demonstrationen von gemietetem, zerlumptem »Volk« - aus dem Präsidentenpalast<br />
verscheuchen, nicht ohne daß ein Fluch der Lächerlichkeit auf den armen guten Mann fiel, von dem er<br />
sich in einem japanischen Kurort erholte.<br />
** <strong>Die</strong> »glorious revolution«, wie sie in der englischen Presse damals vielfach genannt wurde, ist<br />
keineswegs so unblutig verlaufen, wie man das wohl gesagt hat. Im Süden und in den großen<br />
Yangtsezentren sind furchtbare Blutbäder unter den dortigen Mandschugarnisonen angerichtet worden.<br />
Ganz systematisch wurden die Stadtteile, in denen Mandschus wohnten, verbrannt und dem Erdboden<br />
gleich gemacht, während die gesamte Bevölkerung, Männer, Frauen, Kinder und Greise, massakriert<br />
wurden. An manchen Orten sind sie in Scharen in den Yangtse gesprungen, um ihren Verfolgern durch<br />
den Tod zu entgehen. Im Norden blieben sie am Leben. Doch ist das Los dieser einst so stolzen und<br />
vornehmen Familien, die jetzt zu Bettelarmut herabgesunken sind und vielfach davon leben, daß sie ihre<br />
Töchter feilbieten, kaum glücklicher. Wir sehen hier ein sterbendes Geschlecht. Immer wieder kommt es<br />
vor, daß eine ganze Familie den Tod sucht. Nur wenige werden es sein, die durch die Anpassung an die<br />
neuen Verhältnisse und Arbeit sich aus dem Ruin retten. Das einzige, worin der edle Mandschugeist sich<br />
noch zeigt, ist, daß sie sterben, ohne zu klagen.<br />
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