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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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chend auf dem Boden herumgekrochen. Als sie gefragt, ob er etwas suche, habe er sich<br />

aufgerichtet, sie mit fürchterlichen Augen angeblickt und gesagt: »Ich suche den<br />

Ostwind * «.<br />

Das Opiumrauchen ist zwar noch keineswegs ganz verschwunden, aber man kann doch<br />

bemerken, daß es sehr wesentlich zurückgegangen ist. Man scheut sich, es öffentlich zu<br />

betreiben, nicht nur, weil es gesetzlich verboten ist, sondern es ist nicht mehr gesellschaftsfähig.<br />

Namentlich in den gebildeten Kreisen Jung-<strong>Chinas</strong> sieht man mit unverhohlener<br />

Verachtung auf die »Opiumteufel« herab. Leider sind hauptsächlich aus Japan<br />

eine Menge von Mitteln eingeführt worden, die unter dem Vorwand, Arzneimittel zur<br />

Opiumentziehung zu sein, Morphiumpräparate und andere Gifte enthalten. Überhaupt,<br />

was unter dem Decknamen von Medizinen vom Ausland eingeführt und verkauft wird, ist<br />

empörend. Durch marktschreierische Anpreisungen werden Dinge verbreitet, deren man<br />

sich schämen sollte. Im besten Fall sind es wertlose Präparate, die nichts nützen, aber<br />

häufig wird die Angewöhnung aller möglichen Gifte auf diesem Wege betrieben, und das<br />

ganze Land wird entstellt durch eine gemein aufdringliche Reklame.<br />

Von den Klubhäusern und Restaurants kommend, müssen wir noch einen kurzen Blick<br />

werfen auf die Teehäuser. Wie wir gesehen haben, ist die Gesellschaft in China im<br />

wesentlichen Männergesellschaft. Das bringt, ähnlich wie im alten Griechenland, die<br />

Sitte mit sich, während des Zusammenseins bei den Mahlzeiten gelegentlich kleine<br />

Sängerinnen kommen zu lassen. <strong>Die</strong> Mädchen waren ursprünglich junge Künstlerinnen.<br />

Sie beherrschten die Literatur, dichteten wohl selbst, spielten die Zither und sangen<br />

dazu. Sie waren gewöhnt an den Verkehr mit Männern, und während Damen aus der<br />

Gesellschaft errötend verstummten, oder wenn sie zu zweien waren, hinter dem vorgehaltenen<br />

Taschentuch kicherten beim Zusammentreffen mit einem fremden Mann,<br />

waren die kleinen Künstlerinnen frei und geistvoll in der Unterhaltung mit solchen fröhlichen<br />

Gesellschaften jüngerer Männer. Sie hatten ihre Standesehre: »Wir verkaufen<br />

unsere Stimme, nicht unsere Person.« Zum Schutz ihrer Tugend kam stets eine alte<br />

<strong>Die</strong>nerin mit, außerdem meist auch der Musiklehrer, der die Gesänge seiner Schülerinnen<br />

auf der Laute oder Geige begleitete. Doch wie es so zu gehen pflegt: das geistvolle,<br />

freie Beisammensein führte leicht zur erotischen Annäherung. Was dem Mann versagt<br />

war im Bereich des Ehelebens, dem so gut wie nie eine Zeit der jungen Liebe voranging,<br />

das fand er im Verkehr mit diesen Künstlerinnen. <strong>Die</strong> chinesische Lyrik ist voll von<br />

Gedichten über diese Mädchen, und viele Geschichten sind überliefert von treuer Liebe,<br />

Schmerzen der Trennung, Freuden des Wiedersehens, Verzicht und Sterben der Sehnsucht:<br />

kurz alles Pathos und alle Tragik des nicht durch gesellschaftliche Sitten<br />

geschützten, behüteten und gegängelten Eros liegt in diesen Beziehungen. Im Lauf der<br />

Zeit hat sich die Situation freilich etwas verschoben. <strong>Die</strong> Häuser, in denen die kleinen<br />

Künstlerinnen wohnen, sind meist im Besitz von Kupplerinnen. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nerinnen, die die<br />

Tugend der Mädchen schützen sollten, sind meist finanziell an einem Lebenswandel<br />

ihrer Schutzbefohlenen interessiert, der weit abführt von aller Harmlosigkeit und Reinheit.<br />

Aber trotz allem ist der Schein noch recht gut gewahrt. <strong>Die</strong> Mädchen wohnen in<br />

Teehäusern. Man kann sie da besuchen, mit ihnen plaudern und Freundschaft schließen.<br />

Man trinkt seine Tasse Tee, ißt ein paar Melonenkerne oder Süßigkeiten, raucht<br />

eine Zigarette und bezahlt eine feste Summe, von der das Mädchen, das die Unterhaltung<br />

führt, die eine Hälfte mit ihrer »Tante« - so heißen die alten Frauen, unter deren<br />

Hut die Mädchen stehen - zu teilen hat, während die andere Hälfte dem Besitzer des<br />

* Ostwind ist der Name eines der Steine im Spiel.<br />

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