Die Seele Chinas - Chinaseiten
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dem die Kleider aufbewahrt werden, soweit sie nicht in Kisten verstaut sind. Das Bett ist<br />
häufig durch Vorhänge abgeschlossen. Steppdecken dienen als Unterlage und zum<br />
Zudecken, während man Nackenstützen für den Kopf benützt. Am Fenster steht ein<br />
rechteckiger Tisch mit ein paar Stühlen. <strong>Die</strong> Reibschale für die Tusche, Pinsel und<br />
Papier, wohl auch ein Briefsteller, ein Kalender liegen darauf. Im ganzen sind die<br />
Räume im Winter kalt und rauchig, nur durch die geschützte Lage sind sie, namentlich<br />
an Nordwindtagen, erträglich. Im Sommer, besonders zur Regenzeit, kommen andere<br />
Unannehmlichkeiten: schwüle Hitze, Scharen von Moskiten, die durch einen beizenden<br />
Rauch von Artemisiakräutern verscheucht werden sollen, und andere Insekten, die sich<br />
durch keinen Rauch verscheuchen lassen, und die ständige Gefahr, daß der Lehm des<br />
Daches und der Wände im Regen schmilzt und das Haus in größeren oder kleineren<br />
Teilen einstürtzt. Denn der Lehm ist zwar durch einen Kalküberzug gegen die<br />
Regenwirkung geschützt, aber wo sich undichte Stellen finden, kommt der Regen, der<br />
oft mit sintflutartiger Gewalt fällt, unnachsichtig durch und richtet seine Verheerungen<br />
an.<br />
Das Fischerhandwerk, das in den Dörfern an der Kiautschoubucht betrieben wird, ist<br />
recht dürftig und auch gefährlich. In früheren Jahren, als die Bucht von Heringsschwärmen<br />
regelmäßig besucht wurde, war dies anders. Da gab es Fische im Überfluß,<br />
soviele, daß man selbst Hühner und Schweine damit fütterte und die ungenießbaren<br />
Mengen als Dünger für die Felder benützte. Aber diese Zeiten sind längst vorüber. <strong>Die</strong><br />
langen, schmalen Silbermesserfische werden gesalzen und getrocknet und schmecken<br />
für einen verwöhnten Gaumen gräßlich. Außer verschiedenen anderen »Fischen«<br />
werden auch Krabben, Garneelen, Tintenfische und Quallen gegessen. Neuerdings<br />
leidet die Fischerei sehr durch die japanischen Fischdampfer, die durch ihren<br />
Massenfang sehr verheerend wirken.<br />
Neben dem Fischfang wird Landwirtschaft betrieben. Der Ackerbau ist sehr mühsam, da<br />
der Viehbestand nicht sehr zahlreich ist. Manchmal kann man sehen, wie der hölzerne<br />
Pflug von Menschen gezogen wird. Beim Ackerbau beteiligt sich die ganze Familie,<br />
daher ist Kindersegen als Zuwachs an Arbeitskräften durchaus erwünscht. Man kann an<br />
Sommertagen auf den Feldern bei der Ernte Männer, Frauen und Kinder an der Arbeit<br />
sehen; über das ganze ist der strahlende Himmel gebreitet, und Mensch und Natur verwachsen<br />
zu einer großen Einheit. In der Sommerzeit spielt sich das Leben fast ganz im<br />
Freien ab. <strong>Die</strong> Hitze und die Moskiten machen die dumpfen Häuser unerträglich. Man<br />
baut sich Hütten auf dem Feld. In der oberen Abteilung hausen Frauen und Kinder, zu<br />
ebener Erde die Männer der Familie. Trotz der großen Armut der nordchinesischen Bauern,<br />
die in einem Steppenklima Ackerbau treiben, wobei es oft an Regen fehlt, dann wieder<br />
heftige Sommerregen Überschwemmungen bringen, lebt das Volk zufrieden und<br />
einfach, ein Beweis dafür, wie Konfuzius es verstanden hat, durch seine Sitten die Menschen<br />
harmonisch zu gestalten.<br />
Über die Ebene blicken die ernsten Gipfel des Laoschan herüber. Jenseits der Bucht<br />
grüßen im Westen die Perlberge und dazwischen die grünen Bauminseln der Dörfer in<br />
dem weiten, wogenden Getreidemeer. Einen solchen Abend schildert ein alter Dichter<br />
mit ein paar Strichen:<br />
»Nebel sieht man in den Bergen brauen,<br />
Scheidend blickt die Sonne durch den Bambushain.<br />
Vöglein flattern nach des Daches Giebel,<br />
Und der Rauch steigt in die Abendluft hinein.«<br />
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