Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Ich fuhr auf einem Boot vorbei an der kleinen Insel, die man das Herz des Sees nennt.<br />
Dort steht unter dichten Bäumen versteckt ein verlassener Tempel. Dann legte der<br />
Schiffer an bei den Lotosgärten von Su Tung P'o. Steinerne Brücken führen zu einem<br />
zierlichen Pavillon. Auf den Blättern liegen noch als blitzende Perlen die Regentropfen.<br />
Im See stehen drei kleine Pagoden und scheinen auf das Spiegelbild des Monds zu<br />
warten, das in ihrer Mitte in der Herbstnacht aufleuchtet. Am anderen Ufer birgt sich in<br />
dichtem Hain das buddhistische Kloster, von dem der Weg den stillen Hügel hinaufführt<br />
zu der Ruine der Donnerbergpagode. Viele Sagen ranken sich um den trotzigen Bau.<br />
Eine böse Fee, die weiße Schlange, liegt darunter gebannt und kann nicht den Menschen<br />
schaden, solange der heilige Stein sie gefangen hält. Früher stand auf der<br />
Pagode ein Wächterhäuschen. Sie überragte die Gipfel der Nähe, und der Blick zum<br />
Meer war frei. Dort konnte man von weitem schon die Seeräuber nahen sehen, die von<br />
Japan her der Küste zusteuerten. Durch Fanale wurde die Bevölkerung vor den Räubern<br />
gewarnt. <strong>Die</strong>sen aber war die Pagode leid. Sie beschlossen sie zu vernichten. Sie<br />
häuften bei Nacht und Nebel Reisigbüschel um sie an und warfen die Feuerfackel in das<br />
rings getürmte Holz. Hoch auf prasselten die Flammen. Tag und Nacht währte der<br />
Brand. <strong>Die</strong> grauen Ziegel der Pagode wurden rot von der Hitze, aber sie hielt stand.<br />
Trotzig blieben ihre leergebrannten roten Trümmer stehen. Aber kürzlich ist sie in sich<br />
zusammengestürzt. Uralte Schriften und Drucke sind aus ihrem Schutt hervorgezogen<br />
worden.<br />
Abends, als der Tag verdämmerte, fuhr ich zurück. <strong>Die</strong> Pirole Su Tung P'os zwitscherten<br />
noch immer gelb leuchtend zwischen den dunklen Zweigen. Eine Brise kräuselte den<br />
See. Leuchtkäfer schwirrten durch die Luft. Vom fernen Ufer her blitzten die elektrischen<br />
Lichter von Hangtschou, und hoch am Himmel standen die Sterne. Und das alles<br />
spiegelte sich im See. -<br />
Am anderen Morgen fuhr ich nach der Stadt und von dort nach dem Ts'iänt'ang-Fluß.<br />
Der Fluß ist berühmt durch die großen Springfluten, die mehrere Meter hoch wie eine<br />
steile Wand zur Zeit der Tagundnachtgleichen aus dem Meer heraufwandeln. Zehntausende<br />
sammeln sich alljährlich auf den Ufermauern, um dieses wunderbare Schauspiel<br />
zu sehen. Der Ts'iänt'ang ist ein breiter wasserreicher Fluß, wie er im Norden nicht zu<br />
finden ist. Fern am anderen Ufer sieht man liebliche Hügelketten. Boote und Dschunken<br />
fahren auf der weiten, glatten Fläche umher. Flußaufwärts kommt man zu einer großen,<br />
rotbemalten Pagode, die auf einem Hügel steht. Sie bietet einen wunderbaren Ausblick<br />
über den Ts'iänt'ang mit seinen in der Ferne verschwindenden Segeln. Weiter flußaufwärts<br />
tritt das Wu Yün Schan Gebirge an das Ufer. Tannen und Talgbäume, Lackbäume<br />
und Bambus bilden zu beiden Seiten des Wegs ein dichtes Gestrüpp. Auf der roten Erde<br />
des Hügels ist Tee angepflanzt. Was Tee ist, weiß man erst, wenn man in der<br />
Sommerhitze zur Zeit der Tee-Ernte hier oben Tee trinkt, der mit dem Wasser des<br />
Drachenbrunnens (Lung Tsing) zubereitet ist. Der Lungtsing-Tee ist in China ebenso<br />
berühmt wie in Deutschland der Rheinwein. In China trinkt man Tee aus grünen Blättern,<br />
die nur getrocknet sind. Er schmeckt zarter und weniger herb, als der nach Europa<br />
exportierte sogenannte rote Tee, der vor dem Trocknen noch eine Gärung durchmacht.<br />
An der Donnerbergpagode kommt man vorüber auf dem Talweg, der nach dem See<br />
zurückführt. Wir fuhren nun zur sogenannten Kaiserinsel. Das ist eine Insel, auf der von<br />
früheren Zeiten her noch die Anlagen kaiserlicher Gärten und Sommerpaläste vorhanden<br />
sind. In der Bibliothek ist eines der wenigen Exemplare der vollständigen Sammlung<br />
der Meisterwerke der chinesischen Literatur aller Zeiten, die unter der Mandschudynastie<br />
zusammenkamen. Der Garten ist steil ansteigend mit Treppen und Felswegen.<br />
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