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Pfarramtes Bewusst, wie aus seiner ersten Eintragung in die Kirchenchronik hervorgeht, und<br />
er nahm sich vor, „vorsichtiglich“ zu wan<strong>de</strong>ln. Auch auf <strong>Seite</strong>n <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> war <strong>de</strong>r gute<br />
Wille vorhan<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>n jungen Pfarrersleuten gut auszukommen. So war das Verhältnis<br />
zwischen Ihnen in <strong>de</strong>n ersten Jahren im großen und ganzen doch ein freundliches. Auch die<br />
freie religiöse Einstellung Philippis erregte im allgemeinen keinen Anstoß. Nur ein kleiner<br />
Teil <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> stand diesem Pfarrer von Anfang an kritisch gegenüber, und es bedurfte<br />
nur eines äußeren Anlasses, um dies auch grell in Erscheinung treten zu lassen.<br />
Was ging nun inzwischen Philippi selbst vor sich? Er sah sich in eine ganz eigene Welt<br />
geteilt, die er im Grun<strong>de</strong> liebte und kennenzulernen suchte. Das gewaltige Naturerleben in <strong>de</strong>r<br />
Gebirgswelt zog ihn ganz in seinen Bann, er hatte aber auch „ocht auf die Gassen“, und <strong>de</strong>r<br />
für ihn so eigenartige Menschenschlag interessierte ihn aufs lebhafteste. So zurückhaltend und<br />
verschlossen das Landvolk auch sonst Frem<strong>de</strong>n gegenüber ist, so brachte <strong>de</strong>r Beruf Philippis<br />
ihn doch in so enge Beziehung mit ihm, daß es ihm gelang, weitgehend mit <strong>de</strong>r bäuerlichen<br />
Denk- und Gefühlswelt bekannt zu wer<strong>de</strong>n. Dabei ent<strong>de</strong>ckte er auch <strong>de</strong>n großen Abstand, <strong>de</strong>r<br />
zwischen ihm und seinen Leuten in weltanschaulicher Beziehung bestand. Von offenen<br />
Außeinan<strong>de</strong>rsetzungen mit ihnen darüber war nichts zu erwarten, er hätte es <strong>de</strong>nn auf die<br />
Gefahr hin getan, bei ihnen etwas zu zerstören, was doch von Wert für sie war. So litt er unter<br />
<strong>de</strong>n Verdrängungen, die das „hinten-im-Sad“-Behallen, das ihm sein Dekan anempfohlen<br />
hatte, für ihn zur Foge haben mußte. Als nun die Natureinsamkeit <strong>de</strong>n Dichter in ihm geweckt<br />
hatte, da glaubte er im Reiche <strong>de</strong>r Kunst frei zu sein. So entstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m stillen Pfarrhaus<br />
Gedichte und Erzählungen über Volk und Scholle, Wald und Hei<strong>de</strong>, und es wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m<br />
Pfarrer leichter dabei und tat ihm wohl, „wie einer sattgetrunkenen Wolke über Land, die sich<br />
ausgießt in stürzen<strong>de</strong>n Wassern, weil’s ihre Stun<strong>de</strong> ist und weil sie eine Wolke ist“.<br />
Die Art und Weise nun, wie <strong>de</strong>r Dichter sich befreite von allem, was hier einen Pfarrer<br />
bedrücken konnte, mußte zum min<strong>de</strong>sten Befrem<strong>de</strong>n erregen. Es war die Tragik in Philippis<br />
Leben, die schicksalhafte Verkettung von Umstän<strong>de</strong>n, die Leid bringen müssen, daß er einen<br />
Beruf hatte, <strong>de</strong>r die freie Entfaltung seiner dichterischen Anlagen nicht vertrug. Weil er<br />
Pfarrer war, war <strong>de</strong>r Künstler in ihm nicht frei. Die Rücksicht auf das Amt gebot, das<br />
Dichterrößlein ein wenig im Zaume zu halten. Aber Philippi ließ es sich munter tummeln,<br />
unbekümmert darum, ob es bei seinen übermütigen <strong>Seite</strong>nsprüngen nicht wie<strong>de</strong>r manches<br />
zertrat, was er als Pfarrer anbaute und pflegte. Kein Mensch nimmt es gleichmütig hin, vor<br />
<strong>de</strong>r breiteren Oeffentlichkeit an <strong>de</strong>n Praner gestellt zu wer<strong>de</strong>n, und auch das Dorf als Ganzes<br />
hat eine Empfindlichkeit wie je<strong>de</strong>s Einzelwesen, die erkannt und beachtet sein will. Ist es<br />
wirklich mit <strong>de</strong>r ganzen Umgebung in <strong>de</strong>r Entwicklung so zurückgeblieben, was kann es<br />
dafür? Wozu seine Blößen vor aller Welt ausweiten, daß sie nun „dauße rim dicke, brare<br />
Läch“ über es tun? Bei solcher Art ihres Dichterpfarrers zerbrach etwas in seinen andächtigen<br />
Kirchenbesuchern, in <strong>de</strong>ren Augen <strong>de</strong>r Pfarrer doch „ein Beson<strong>de</strong>rer war, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nähe<br />
Gottes atmet“. Den Chorrock tragen, aber ab und zu auch einmal die Schellenkappe aufsetzen,<br />
das „amerte“ (vereinbarte) sich nicht.<br />
Abgesehen von <strong>de</strong>m ersten schriftstellerischen Versuch Philippis, <strong>de</strong>m Büchlein „Einfache<br />
Geschichten“, das nur die bei<strong>de</strong>n Erzählungen „Der Pechphilippi“ und „Rosmarin“ enthielt,<br />
erschien im Herbst 1902 sein erstes Buch „Hasselbach und Wil<strong>de</strong>ndorn“. „Hasselbach“ war<br />
<strong>de</strong>r Deckname für Breitscheid und „Wil<strong>de</strong>ndorn“ für Rabenscheid. Mit <strong>de</strong>r ersten Erzählung<br />
dieses Buches, <strong>de</strong>m „Lohnprediger“, hat sich Philippi nicht aufs beste eingeführt. Die<br />
einführen<strong>de</strong> schöne Naturbetrachtung nimmt wohl gleich für ihn ein, aber nicht die Handlung<br />
und Erzählung. Und daß das Aergerliche darin meist erdichtet war, mußte <strong>de</strong>n peinlichen<br />
Eindruck bei <strong>de</strong>n Kreisen, die hier gezeichnet wor<strong>de</strong>n waren, noch verstärken. Nur eins lag als<br />
Wahrheit über <strong>de</strong>m Ganzen: es ist kein großer Unterschied unter <strong>de</strong>n Menschen, sie alle