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u.s.w. Beim Lehrer Weber in Uckersdorf (1850er Jahre) war das Schlittenfahren verboten.<br />
Übertreter <strong>de</strong>s Verbots bekamen <strong>de</strong>n Rücken mit <strong>de</strong>m Geißelstiel verbläut.<br />
Ernst Herr, geb. 1856 zu Schönbach, 1878 hierher versetzt, versah nach <strong>de</strong>r Pensionierung <strong>de</strong>s<br />
Lehrers Kreuter, 1879, die erste Stelle jahrelang mit, sodaß er allein über 130 Schüler – 1882<br />
waren es 139! – zu betreuen hatte. 1883 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fleißige und pflichtreue junge Mann vom<br />
Lehrgehilfen zum Lehrer beför<strong>de</strong>rt und ihm die hiesige Schulstelle übertragen, die er bis 1886<br />
beklei<strong>de</strong>te. Obwohl er erst 8 Jahre hier amtierte, klingt sein Name heute noch warm und<br />
dankbar in <strong>de</strong>n Herzen <strong>de</strong>r Breitschei<strong>de</strong>r nach. Auch nach<strong>de</strong>m ihm die Bür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Berufes<br />
erleichtert wor<strong>de</strong>n war, galt seine ganze Kraft <strong>de</strong>r Schule. Seiner vorbildlichen Lehrertätigkeit<br />
ist auch die Anerkennung seitens <strong>de</strong>r vorgesetzten Behör<strong>de</strong> nicht versagt geblieben. Er wur<strong>de</strong><br />
später in Schierstein zum Rektor ernannt, obwohl er die damals noch vorgeschriebene<br />
Rektorprüfung nicht abgelegt hatte. 1926 schrieb ich von ihm: Nun steht er an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>s<br />
biblischen <strong>Alt</strong>ers in einer Rüstigkeit, wie man sie bei seinem von Jugend auf Armes<br />
schwächlichen Körper nicht erwartet hätte. Aber an ihm haben wir ein Beispiel, wie edles<br />
Menschentum, das sich in Pflichterfüllung, Müßigkeit, Gedankenreinheit und Liebe zu <strong>de</strong>n<br />
Menschen offenbart, und <strong>de</strong>ssen Träger in Gemeinschaft mit <strong>de</strong>m Urgrund alles Seines steht,<br />
ein lange Leben und einen lichten Lebensabend zum Erbe und zum Lohn hat. Der Lieben<strong>de</strong><br />
und dienen<strong>de</strong> wird grünen wie ein Palmbaum, und wenn er gleich alt wird, wird er <strong>de</strong>nnoch<br />
blühen, fruchtbar und frisch sein. Im Jahre 1928 ist er dann, ohne ein Krankenlager erdul<strong>de</strong>n<br />
zu müssen, sanft an einem Schlaganfall entschlafen, sodaß wir nicht mehr die Freu<strong>de</strong> haben<br />
sollten, ihn, <strong>de</strong>r uns noch je<strong>de</strong>s Jahr hier oben besuchte, bei <strong>de</strong>r Einweihung unserer Schule<br />
hier begrüßen zu können. – Zu seinem 70. Geburtstag hatten wir ihm ein mit vielen<br />
Unterschriften ehemaliger Schüler versehenes Glückwunschschreiben gesandt, auch sein<br />
ehemaliger Schüler, Lehrer Wilhelm Becker in Ohligs. Dem Antwortschreiben an <strong>de</strong>n<br />
Letzteren entnehmen wir folgen<strong>de</strong>n Rückblick auf seine hiesige Tätigkeit; „Die aufrichtigen<br />
Erweise dauern<strong>de</strong>r Liebe und Treue meiner ehemaligen Schüler in Breitscheid sind mir ein<br />
Grund herzlicher Freu<strong>de</strong>, erfüllen mich aber auch mit einer gewissen Wehmut und<br />
Beschämung, weil ich so wenig Anspruch auf so viel dankbare Liebe habe. Ich stand als<br />
junger, unerfahrener Lehrer in Breitscheid <strong>de</strong>r nur eine dürftige Berufsausbildung mit ins Amt<br />
gebracht hatte; Fortbildungskurse und Arbeitsgemeinschaften für Lehrer gab es damals noch<br />
nicht. So ließ meine pädagogische Weisheit und meine fachmännische Tätigkeit viel zu<br />
wünschen übrig. Der wir trotz<strong>de</strong>m verliehene Einfluß beruhte in meinem I<strong>de</strong>alismus, <strong>de</strong>r, von<br />
<strong>de</strong>r Liebe zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>m Gefühl <strong>de</strong>r Hoheit meines Berufes getragen, mir die<br />
Schularbeit zur Herzenssache machte. Dazu aber kam <strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Einfluß <strong>de</strong>s Hauses. War<br />
er auch nicht überall vorhan<strong>de</strong>n, und, wo er wirkte, nicht überall gleich stark, so herrschte<br />
doch in vielen Häusern neben guter Zucht und Sitte ein ernstes, höheres Streben das sich<br />
vielfach auch in christlicher Gesinnung und guten Grundsätzen kundgab und so die Kin<strong>de</strong>r<br />
zum Guten anleitete und die Autorität ihres Lehrers erhöhte. Im großen und ganzen waren es<br />
unverdorbene und brave Kin<strong>de</strong>rherzen, die das Arbeitsfeld bil<strong>de</strong>ten und viele verständige,<br />
treue Eltern waren die Mitarbeiter. So stand es damals in Breitscheid. – Heute (1926) sind die<br />
Bedingungen für die Jugen<strong>de</strong>rziehung wohl fast überall nicht so günstig. Unser Volksleben<br />
neigt zu sehr zur Veräußerlichung, unter <strong>de</strong>r das Familienleben und die Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />
lei<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls ist die Schularbeit wenigstens nach ihrer erziehlichen <strong>Seite</strong> schwieriger<br />
gewor<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb ist aber auch ein starker erziehlicher Einfluß <strong>de</strong>r Schule nötiger<br />
dann je, und dieser wird wohl noch in <strong>de</strong>n leiblichen ethischen und pädagogischen<br />
Wahrheiten seine kräftigste Stütze fin<strong>de</strong>n. Auch ein jetzt stärkere betonte Erziehung zur<br />
Heimatliebe, die vor allem in <strong>de</strong>r Liebe zu ihren Bewohnern gipfeln sollten, ist geeignet, recht<br />
anre<strong>de</strong>lnd zu wirken.“