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Seite 4 - Alt-breitscheid.de

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Pachtzins schuldig blieben, dürfte <strong>de</strong>r Pfarrer noch kein Wörtchen sagen, sonst wur<strong>de</strong> er als<br />

ein heilloser Geizhals verschrieen. (Als später die Kirchenaustritte sich mehrten, drohte auch<br />

wohl <strong>de</strong>r eine o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, aus <strong>de</strong>r Kirche auszutreten, wenn er wegen Nichtzahlung <strong>de</strong>s<br />

Pachtgel<strong>de</strong>s gemahnt wur<strong>de</strong>). Nimmt man dazu, daß diese Westerwalddörfer 2 bis 3 Stun<strong>de</strong>n<br />

von je<strong>de</strong>r größeren Verkehrsstraße entfernt lagen, daß man auch vom Arzt und <strong>de</strong>r Apotheke<br />

durch viele Kilometer getrennt und bei <strong>de</strong>n Schneeverwehungen im Winter überhaupt von <strong>de</strong>r<br />

Umwelt abgeschlossen war, dazu noch das Fehlen von Fernsprechleitung, Wasserleitung und<br />

elektrischem Licht, oft sogar von Bäcker und Metzger, so versteht man <strong>de</strong>n Ausspruch: „Dort<br />

oben gehörten überhaupt keine Menschen zu wohnen“. Ja, es war keineswegs ein reines Idyll,<br />

solch eine Pfarrstelle auf <strong>de</strong>m hohen Westerwald. Auch nicht im Hinblick auf die Her<strong>de</strong>, die<br />

<strong>de</strong>r Pfarrer wei<strong>de</strong>n sollte. Philippi lernte bald seine Leute richtig kennen. Sein weltoffener<br />

Blick und sein liebevolles Verständnis für alles Menschliche half ihm dabei. Er hatte die<br />

Gabe, ganz offen mit <strong>de</strong>n Menschen zu re<strong>de</strong>n, und dadurch entlockte er auch <strong>de</strong>n<br />

Verschlossensten manches, das sie so leicht keinem sagten. Und was er als Mann nicht erfuhr,<br />

das wur<strong>de</strong> sein Frauchen gewahren. Denn er war nicht als Junggeselle nach Breitscheid<br />

gekommen, son<strong>de</strong>rn hatte <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> gleich eine Pfarrfrau mitgebracht, und zwar eine, die<br />

sich für diese beson<strong>de</strong>re Wür<strong>de</strong> und Aufgabe vortrefflich eignete und bald ein willkommener<br />

Gast war in <strong>de</strong>n Häusern, beson<strong>de</strong>rs auch bei <strong>de</strong>n Armen und Kranken. (Noch heute, 1943,<br />

erinnern sich die Leute noch gern dieser Pfarrfrau, die armen Kranken immer Mittagessen<br />

geschickt habe, auch sonst sich als sehr gütig erwies). – Außer von seiner Frau erfuhr <strong>de</strong>r<br />

Pfarrer manches aus <strong>de</strong>m Dorf durch <strong>de</strong>n Verkehr seiner Familie in <strong>de</strong>r „<strong>Alt</strong>en Schule“ am<br />

Kirchenweg; mit <strong>de</strong>r Frau <strong>de</strong>s Schumachers En<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>m „Schulpattchen“ hatten die<br />

Pfarrersleute Freundschaft geschlossen seit <strong>de</strong>m Kranksein <strong>de</strong>ren Tochter, <strong>de</strong>ren sich die<br />

Pfarrersleute auf ihrem Sterbelager beson<strong>de</strong>rs angenommen hatten. Dann muß in diesem<br />

Zusammenhang <strong>de</strong>r Pfarrersfreund August Kuhlmann genannt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r „Schlosser-<br />

Kuhlmann“ aus <strong>de</strong>r Sauermouseck, <strong>de</strong>n Philippi oft in seinen Büchern als „Hampikers<br />

Gottlieb“ erwähnt, <strong>de</strong>n er aber doch zu hoch eingeschätzt hat; er war doch ein etwas<br />

beschränkter Mensch. Beim Bau <strong>de</strong>s kirchlichen Vereinshauses hat er sich beson<strong>de</strong>rs ins Zeug<br />

gelegt, dabei aber seine eigne Wirtschaft vernachlässigt. Seinen einzigen Sohne übergab er<br />

vorzeitig Haus und Güter, und es ist ihm noch recht schlecht gegangen. Auf meine<br />

Vorstellung bei Philippi, diesem seine Lage schil<strong>de</strong>rnd, hat dieser seinem Freund von<br />

Wiesba<strong>de</strong>n aus noch eine Geldunterstützung geschickt.<br />

Ferner verkehrte Philippi viel mit <strong>de</strong>m Schreinermeister Robert Reeh, am Tiergarten. Bei ihm<br />

o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r „<strong>Alt</strong>en Schule“ wohnten Philippis auch, wenn sie später hier zu Besuch waren.<br />

So fehlte es von Anfang an nicht an Arbeit, wenn auch die Gemein<strong>de</strong> nur klein war. Aber auf<br />

<strong>de</strong>n Dörfern mußte Kleinarbeit getrieben wer<strong>de</strong>n. Das war möglich und wur<strong>de</strong> auch verlangt<br />

(besser: erwartet!) – Trotz<strong>de</strong>m überkam <strong>de</strong>n jungen Bauernpfarrer schon bald eine innere<br />

Unruhe und Unrast. Das viele Neue und Eigenartige, das er erlebte, das ganz an<strong>de</strong>re, das<br />

diesen Menschen auf <strong>de</strong>r hohen Hei<strong>de</strong> anhaftete, wirkte so stark auf ihn ein, daß er irgendwie<br />

reagieren (sich gegenäußern) mußte auf die Wucht und Fülle <strong>de</strong>r Eindrücke. Und nicht nur die<br />

Menschen mit ihrer Arbeit und ihrer Lebensweise waren daran beteiligt, son<strong>de</strong>rn ebenso sehr<br />

auch die Natur, die Landschaft, die klimatischen Verän<strong>de</strong>rungen, die Wolken, die einsame<br />

Hei<strong>de</strong> und die schweigsamen Wäl<strong>de</strong>r. Hier hörte er ein Rauschen in <strong>de</strong>n Lüften und ein<br />

geheimnisvolles Raunen ringsum, wie er es bisher noch nicht erlebt hatte. Hier erlebte er<br />

Schneeverwehungen, die er früher nicht für möglich gehalten hätte, hier spielte überhaupt das<br />

Wetter eine Rolle, wie es <strong>de</strong>m Großstädter, zumal in <strong>de</strong>m mil<strong>de</strong>n Wiesba<strong>de</strong>ner Klima, noch<br />

nie zum Bewusstsein gekommen war. Aber all diese Eindrücke konnten ihn nur <strong>de</strong>shalb<br />

innerlich so aufwühlen und überwältigen, weil er sie als Dichternatur erlebte. Darum war es<br />

eine Notwendigkeit, er mußte das Erlebte aufschreiben, dichterisch gestalten. Dabei fragte er<br />

nicht lange: wie soll ich das machen? Er schaute auch nicht ängstlich nach rechts und nach<br />

links, wie es etwa an<strong>de</strong>re gemacht hatten, son<strong>de</strong>rn er sah seinen Leuten „aufs Maul“, um zu

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