Seite 4 - Alt-breitscheid.de
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e<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Ort Breitscheid „mitgenommen“, was schon daraus hervorging, daß sie im<br />
Anfange unseres Jahrhun<strong>de</strong>rts zur Klärung <strong>de</strong>r Angelegenheit hier einen Verhandlungstermin<br />
abhielt. Zugleich bewarb sich aber auch Erdbach um die Bahn. Den guten persönlichen<br />
Beziehungen <strong>de</strong>s Besitzers <strong>de</strong>r dortigen Steinbrüche zu einem <strong>de</strong>r maßgeben<strong>de</strong>n Herren soll<br />
es dann zuzuschreiben gewesen sein, daß die Entscheidung zugunsten Erdbachs ausfiel. Die<br />
Bahnstrecke Herborn-Rennerod wur<strong>de</strong> im Jahre 1906 eröffnet.<br />
Breitscheid gab aber die Hoffnung, selbst Anschluß ans Bahnnetz zu fin<strong>de</strong>n, nicht auf und<br />
wandte sich nun wie<strong>de</strong>r seiner ersten Liebe zu, <strong>de</strong>r Bahn nach Haiger. Im Jahre 1908 beschloß<br />
<strong>de</strong>r Vorstand <strong>de</strong>s hiesigen Gewerbevereins, <strong>de</strong>ssen Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Direktor <strong>de</strong>r<br />
„Westerwäl<strong>de</strong>r Thonindustrie“ war, bei <strong>de</strong>r Generalversammlung in Dillenburg zu<br />
beantragen. Der Zentralvorstand <strong>de</strong>s Gewerbevereins möge „für das Bahnprojekt Haiger-<br />
Weilburg eintreten“. Drei Jahre später genehmigte <strong>de</strong>r Landtag <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Bahn von Haiger<br />
über Driedorf und Beilstein durch das Ulmtal. Das Bahnhofsgebäu<strong>de</strong> in Breitscheid wur<strong>de</strong><br />
1913 errichtet. Die Tatsache, daß es bis heute seiner Bestimmung nicht übergeben wer<strong>de</strong>n<br />
konnte, bezeugt die große Not, in die das Vaterland gekommen war. Der Krieg mit seinen<br />
verheeren<strong>de</strong>n Folgen verhin<strong>de</strong>rte die Ausführung <strong>de</strong>s Bahnprojekts. Der oft von neuem<br />
belebten Hoffnung folgte immer wie<strong>de</strong>r die Enttäuschung. Das verarmte Deutschland konnte<br />
sich <strong>de</strong>n Bau einer Bahn, <strong>de</strong>ren Rentabilität so sehr in Frage gestellt war, nicht leisten.<br />
Endlich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bau <strong>de</strong>r Strecke Haiger-Gusternhain beschlossen. Die Teilstrecke Haiger-<br />
Rabenscheid wur<strong>de</strong> am 14. Dezember 1926 <strong>de</strong>m Verkehr übergeben. So wäre alle von <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nsten <strong>Seite</strong>n geleistete Arbeit zur Verwirklichung <strong>de</strong>s Planes schließlich doch<br />
„verlorne Liebesmüh“ gewesen, wenn nicht <strong>de</strong>r gewaltige Umschwung durch das dritte Reich<br />
gekommen wäre. Am 5. März 1936 geschah <strong>de</strong>r erste Spatensich, und schon im folgen<strong>de</strong>n<br />
Monat wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s Tunnels gegonnen. Die Aufschrift auf <strong>de</strong>m Spruchband am<br />
Eingang <strong>de</strong>sselben: „daß wir hier bauen verdanken wir <strong>de</strong>m Führer“! verdient für alle Zukunft<br />
in <strong>de</strong>n Annalen <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Bahnbaus festgehalten zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir heißen die Bahn willkommen, wenn wir auch sagen dürfen, daß sie uns nicht mehr<br />
„rauschig macht von <strong>de</strong>r neuen Zeit“. Diese kam mit Riesenschritten schon seit <strong>de</strong>r letzten<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> herauf in unser Hochland. Unsere Freu<strong>de</strong> um die Bahn ist, auch nicht<br />
ungetrübt. Wertvolles Wiesenland ging verloren, und das schöne Landschaftsbild erlitt einige<br />
Einbußen. Darüber wollen wir aber nicht <strong>de</strong>n Segen übersehen, <strong>de</strong>n uns die Bahn bringt. Je<strong>de</strong><br />
neue Linie, die <strong>de</strong>n Westerwald erschließt, trägt mit dazu bei, die in <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> schlummern<strong>de</strong>n<br />
Schätze zu haben, und zu verwerten. So schafft sie Verdienstmöglichkieten, die das „Land <strong>de</strong>r<br />
armen Leute“ immer mehr zu einem bloßen historischen Begriff wer<strong>de</strong>n lassen. Auch<br />
erwarten wir, daß <strong>de</strong>r Bahnanschluß nun Verbilligung <strong>de</strong>r Lebenshaltung für uns zur Folge<br />
hat, da die einzuführen<strong>de</strong>n Waren und Materialien nun leichter auf unsere Höhen kommen.<br />
Die neue Bahnlinie begünstigt auch <strong>de</strong>n Verkehr nach West<strong>de</strong>utschland und <strong>de</strong>m Siegerland.<br />
Auch dürfte sie <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>nverkehr für unser Dorf beleben, ja Breitscheid vielleicht, wo die<br />
günstigsten Bedingungen dafür vorliegen, zu einem vielbesuchten Luftkurort wer<strong>de</strong>n lassen.<br />
Es bietet jetzt schon ein lohnen<strong>de</strong>s Ausflugsziel für die Bewohner <strong>de</strong>s Dilltals. Die Bahn führt<br />
vom Fuße <strong>de</strong>s Gebirges auf die mittlere Stufe, das nahe an <strong>de</strong>n Ostrand <strong>de</strong>s Hohen<br />
Westerwal<strong>de</strong>s, eine Gegend herben Charakters und doch eigenartiger Schönheit, die Philippi<br />
oft in seinen Dichtungen begeistert geprießen hat. So schil<strong>de</strong>rt er z.B. seine ersten Eindrücke<br />
von ihr wie folgt: „Allenthalben diese frische Farbenpracht! Der Westerwald trug durchaus<br />
Hochgebirgscharakter. So überschwänglich und unmittelbar in Herbigkeit <strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>s und in<br />
lauter Frohsinn hatte sich mir die Natur noch nicht gezeigt. Himmel und Er<strong>de</strong> waren hier<br />
unberührt, wie von Uranfang unter sich und stürmten auf <strong>de</strong>n Menschen überre<strong>de</strong>nd ein, daß<br />
ich wie benommen war“. Möge die neue Bahn Heimat und Vaterland zum Segen gereichen!