Seite 4 - Alt-breitscheid.de
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Willingen! Um das vermeintliche Automobil abzufangen, stan<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Ausgängen <strong>de</strong>s<br />
Dorfes Posten, tagelang! Derselben Straße, die in Burg, Uckersdorf und Me<strong>de</strong>nbach bewacht<br />
wur<strong>de</strong>, gab auch Breitscheid noch Posten am Me<strong>de</strong>nbacher und Gusternhainer Weg. Ein<br />
Wagen wur<strong>de</strong> quer über die Straße gestellt. So verliert selbst die Behör<strong>de</strong> leicht <strong>de</strong>n Kopf in<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Erregung. Deutsche Automobilfahrer kamen in Gefahr totgeschossen zu<br />
wer<strong>de</strong>n. Als endlich die Behör<strong>de</strong> bekannt machte, daß kein feindliche Automobil mehr im<br />
Land sei, da legte sich <strong>de</strong>r Spuck auf <strong>de</strong>m Westerwald.<br />
Inzwischen hatten die Krieger ihre wichtigsten Dinge geordnet. Am Bußtag waren fast alle<br />
noch einmal in <strong>de</strong>r Kirche. Die meisten waren auf <strong>de</strong>n 4. Mobilmachungstag einberufen.<br />
Dann kam das Abschiednehmen, und in <strong>de</strong>n ersten Morgenstun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s 4. Tages fuhren zwei<br />
Wagen einen großen Teil <strong>de</strong>r Einberufenen etwa 40 nach Herborn. Sechs Kriegstrauungen<br />
fan<strong>de</strong>n im Kirchspiel statt. Ein junges, schönes Paar, in einiger Liebe miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n<br />
sah ich dicht aneinan<strong>de</strong>rgeschmiegt, <strong>de</strong>n Erdbacherweg hinab zur Bahn gehen. An diesen<br />
jungen Herzen mochte wohl <strong>de</strong>r Abschied die tiefsten Wun<strong>de</strong>n reißen. Der junge Mann<br />
(Bernhard) ist später gefallen, ebenso noch zwei kriegsgetraute Krieger. Einmal kam auf <strong>de</strong>m<br />
Wege zum Bahnhof in Erdbach auch ein Trupp junger Leute aus Gusternhain über<br />
Breitscheid. „In <strong>de</strong>r Heimat, in <strong>de</strong>r Heimat, da gibt’s ein Wie<strong>de</strong>rsehn!“ hörte ich die hellen<br />
Stimmen <strong>de</strong>r Gusternhainer Mädchen singen.<br />
Die Eingezogenen bleiben noch eine Zeitlang in Wetzlar, und die Kriegerfrauen hatten die<br />
Freu<strong>de</strong>, ihre Männer noch einigemale dort besuchen zu können. Die Mehrzahl <strong>de</strong>r<br />
Breitschei<strong>de</strong>r Krieger wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r 1. Kompanie <strong>de</strong>s Res. Inf. Kpts. 81 zugeteilt. Sie wur<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>r Bahn über Frankfurt, Bingen, das Nahetal hinaufgebracht, marschierten dann durch<br />
Luxemburg nach Frankreich hinein.<br />
Sie machten dann die Marneschlacht mit und <strong>de</strong>n Rückzug. Dann gruben sie sich ein bei<br />
Cernay en Dormois und Ville sur Tourbe (zwischen <strong>de</strong>n Rogman und <strong>de</strong>r Champagne,<br />
nördlich von St. Menehould.) In <strong>de</strong>r Marneschlacht war bei Hiltz <strong>de</strong>r Pionier Emil Kolb<br />
gefallen. Im Stellungskrieg bei Cernay wur<strong>de</strong> Otto Hisge im Schützengraben durch<br />
Granatschuß <strong>de</strong>r Unterschenkel zerschossen. Der vorzügliche Entfernungsschätzer<br />
Unteroffizier Karl Bechtum (Bärter, kriegsgetraut) und <strong>de</strong>r Arme Unteroffizier Louis Diehl,<br />
allzeit gern bereit zu Patrouillengängen, mußten dort ihr Leben fürs Vaterland lassen. Bei<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n ehren<strong>de</strong>, anerkennen<strong>de</strong> Zeugnisse von <strong>de</strong>n Vorgesetzten ausgestellt. Der Landwirt<br />
Hermann Kolb hat sich bei Cernay einer Anzahl Franzosen, die ihn umringten und<br />
totschlagen wollten, tapfer erwehrt.<br />
Kehren wir zur Heimat zurück. Was das Frühjahr 1813 für Preußen war, das ist für ganz<br />
Deutschland die 2te Hälfte <strong>de</strong>s Jahres 1917gewor<strong>de</strong>n: ein Höhepunkt im nationalen Leben<br />
ohne Gleichen! Welche ungeahnten Kräfte wer<strong>de</strong>n entfaltet in einem Volke wenn man es<br />
einkreist und dann von allen <strong>Seite</strong>n überfällt! Wir wur<strong>de</strong>n über uns selbst hinaus gehoben.<br />
Wer mochte da an sein kleines „Ich“ <strong>de</strong>nken, wenn ihn solch hochgehen<strong>de</strong> Wogen umspülten!<br />
In <strong>de</strong>n Nächten drängten sich die freiwilligen zu <strong>de</strong>n Aushebungsstellen. Der Bauer mel<strong>de</strong>t<br />
sich nicht freiwillig. Eine Theodor Körner Seele ist er nicht, das ist nicht vorauszusetzen bei<br />
ihm. Aber wenn er gerufen wird ist er da, und das Vaterland kann sich auf seine Fäuste<br />
verlassen. Während sich das große Geschehen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes vollzog, vergaß man<br />
auch die Werte <strong>de</strong>r Liebe nicht. Im Anfange wur<strong>de</strong>n alle 8 Tage Lebensmittel gesammelt für<br />
die Lazarette und die durchfahren<strong>de</strong>n Truppen. Da wur<strong>de</strong> gern beigesteuert, auch Geld. Eine<br />
Frau in Breitscheid brachte 50 M auf einmal. Im Pfarrhause strickten die jungen Mädchen für<br />
die Soldaten. Die Schulkin<strong>de</strong>r sammelten teilweise das Geld für die Wolle dazu. Mit einem<br />
Wort: Ein herrlicher Geist beherrschte alle. Die Siege unserer unvergleichlichen Truppen<br />
riefen natürlich große Begeisterung in <strong>de</strong>r Heimat hervor. Zum erstenmal läuteten die<br />
Glocken nach <strong>de</strong>r großen Schlacht östlich von Metz. Viele Leute liefen auf die Straße, und<br />
Stolz und Freu<strong>de</strong> malten sich in ihren Gesichtern. Freilich ist’s keine ungewischte Freu<strong>de</strong>, und<br />
ein empfindsames Gemüt ge<strong>de</strong>nkt mit Wehmut <strong>de</strong>r Toten und Verwun<strong>de</strong>ten, die in ihrem