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verleitet wor<strong>de</strong>n. Noch in <strong>de</strong>rselben Nacht veranlasste <strong>de</strong>r Kommissar, die Schuldigen in<br />

Erdbach, Burg und Herborn auszuheben. Er selbst ging um Mitternacht mit <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r<br />

Soldaten nach Breitscheid, um sich <strong>de</strong>r Verdächtigung zu bemächtigen. Diese hatten sich aber<br />

bereits auf flüchtigen Fuß gesetzt. Es gelang nur <strong>de</strong>n Kunz in seinem innen besetzten Hause<br />

bei seiner Rückkehr zu verhaften. Er konnte gleichfalls nur durch einen gute Tracht Schläge<br />

zu einem unvollständigen Geständnis gebracht wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Vernehmung und<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r Angeklagten legten sie ein teilweises Geständnis ab. Alle Angeklagten<br />

aber gaben <strong>de</strong>n Johann Heinrich Georg von Breitscheid von <strong>de</strong>r Tat selbst frei. Weil nun <strong>de</strong>r<br />

M. leugnete und sich die Angaben in verschie<strong>de</strong>nen Punkten wie<strong>de</strong>rsprachen, so beschloß die<br />

fürstliche Canzlei am 15. Juli 1766, die Angeklagten zur Erkernung <strong>de</strong>r vollen Wahrheit noch<br />

peinlich zu befragen, sie zu foltern. M. gab bei <strong>de</strong>r Marter zu, <strong>de</strong>n Schuß in <strong>de</strong>n Wagen getan<br />

zu haben, <strong>de</strong>r alte Schuck hielt die ganze Folter aus, ohne Weiteres zu bekennen, und bei <strong>de</strong>n<br />

Übrigen kam bei <strong>de</strong>r Marter wenig beträchtliches mehr heraus. Am 11.Oktober 1766 wur<strong>de</strong><br />

folgen<strong>de</strong>s Urteil gefällt: „Daß das <strong>de</strong>n 15. Juli eröffnete To<strong>de</strong>surteil an sämtlich benannten<br />

Inquisiten, ihnen zur wohlverdienten Strafe und an<strong>de</strong>ren zum abschrecken<strong>de</strong>n Exempel<br />

dargestalt zu vollstrecken sei, daß Joh. Ph. Müller, Heinrich Schuck und Joh. Jakob Schuck<br />

durch <strong>de</strong>s Rad von oben her, mit <strong>de</strong>m Herzstoß anzufangen; die übrigen Inquisiten, Joh. Grün,<br />

Wilhelm E., Gottfried D. und Joh. Frantz (von Breitscheid) mit <strong>de</strong>m Schwerte zum To<strong>de</strong><br />

zubringen und danach die samtlichen Delinquenten-Körper auf das Rad zu flechten und sie<br />

also hierzu zu verdammen. Von Rechts wegen. Müller von Erdbach gelang es, sich aus großer<br />

Höhe im Gefängnis herabzulassen und zu entkommen. Von <strong>de</strong>n übrigen Verurteilten ist das<br />

Urteil am 23. Juni 1767 auf <strong>de</strong>m Archivplatz zu Dillenburg im Angesicht einer großen Menge<br />

von Zuschauern, die von allen <strong>Seite</strong>n herbeigestürmt waren, vollstreckt wor<strong>de</strong>n. Unmittelbar<br />

nach <strong>de</strong>r Hinrichtung hielt <strong>de</strong>r Oberkonsistorialrat Schepp eine Re<strong>de</strong> an das umstehen<strong>de</strong> Volk,<br />

die also begann: „Mein Herz ist erschrocken und meine Knie zittern wegen <strong>de</strong>m blutigen und<br />

fürchterlichen Auftritt, <strong>de</strong>n wir mit Augen angesehen haben, und ich kann mir leicht<br />

vorstellen, daß gleich starke Empfindungen von Mitleid, Betrübnis und Schrecken eure Seelen<br />

erfüllt haben“ u.s.w. (Soweit <strong>de</strong>r von mir gekürzte Bericht <strong>de</strong>s J.H. Hoffmann.) Aus an<strong>de</strong>ren<br />

Quellen kann ich noch einiges hinzufügen. Unser nachmaliger Pfarrer Kunz war damals Vikar<br />

in Dillenburg; in dieser Eigenschaft versah er die Seelsorge an <strong>de</strong>n Gefangenen. In seinem<br />

Tagebuch, welches aufbewahrt, schreibt er von <strong>de</strong>m Schreckensbild auf <strong>de</strong>m Archivplatz:<br />

„Mitleid, Grauen und Schrecken wer<strong>de</strong>n von neuem rege durch eine blutige Schaubühne, die<br />

sich meinen Gedanken wie<strong>de</strong>r eröffnet. Zehn hiesiger Untertanen, von <strong>de</strong>nen die meisten hier<br />

aus Breitscheid waren (?), wo ich dieses schreibe, hatten <strong>de</strong>n Postwagen beraubet. Sechs,<br />

welche gleich anfangs ergriffen wor<strong>de</strong>n, waren verurtheilet, daß sie theils sollten geköpfet,<br />

theils geradbrecht und hiernächst ihre Köpfe sollten auf Pfälen geschlagen, die Körper aber<br />

auf Rä<strong>de</strong>r geflochten wer<strong>de</strong>n. Sieben Wochen vor <strong>de</strong>r Vollstreckung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>surtheils mußte<br />

ich sie im Gefängnis in meiner Reihe, mit <strong>de</strong>r ich <strong>de</strong>n Anfang machen mußte, erst noch in <strong>de</strong>r<br />

Religion unterrichten, auf <strong>de</strong>n Tod bereiten und hernach zum Blutgerüst hinaus führen<br />

helfen“. Der 1767 hier in Breitscheid amtieren<strong>de</strong> Pfarrer Frankenfeld war auch Seelsorger <strong>de</strong>s<br />

Joh. Krantz. Ihm gegenüber hat <strong>de</strong>r Verbrecher die Bitte ausgesprochen, er möge sich seiner<br />

zurückbleiben<strong>de</strong>n Mutter und Frau annehmen. (Die Famile Krantz war seit 1724 in<br />

Breitscheid ansässig). (Johannes Krantz war wohl in Breitscheid geboren (1732), aber sein<br />

Vater stammte von Nen<strong>de</strong>rroth und war 1744 Kuhhirt hier).<br />

1766 wird in einem hiesigen Kirchenbuch <strong>de</strong>r wegen <strong>de</strong>s Postraubs entwichene Phil. Kolb<br />

genannt, auch soll Peter Lang <strong>de</strong>shalb entwichen sein. Die Angehörien <strong>de</strong>s Joh. Heinrich<br />

Georg wur<strong>de</strong>n vom Presbyterium ermahnet, sich ja zu prüfen, ob sie auch würdig zum Genuß<br />

<strong>de</strong>s heiligen Abendmahls seien und nicht etwa Gestohlenes aus <strong>de</strong>m Postraub verheimlichen.<br />

Einige Wochen nach <strong>de</strong>r Tat, als sich die Verbrecher noch <strong>de</strong>r Freiheit erfreuten, führten Joh.<br />

Krantz und Phil. Kolb, wie einem Presbyterialprotokoll zu entnehmen ist, auf <strong>de</strong>m<br />

Christkindchesmarkt in Herborn ein ausschweifen<strong>de</strong>s Leben. Sie schickten ihre eigenen

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