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Blute liegen. Wos werds ower aach für Leu gekost ho! Rief meine Mutter mir vom<br />
Gartenzaun herauf, während unsere 4 Glocken in Kirche und Schule <strong>de</strong>n ersten großen Sieg<br />
verkün<strong>de</strong>ten. Und dann kamen wir wochenlang nicht aus <strong>de</strong>m Siegestaumel heraus. Einmal<br />
machten die Schulkin<strong>de</strong>r einen Fackelzug durchs dorf. Auf <strong>de</strong>r Brücke hielt <strong>de</strong>r Lehrer Rinn<br />
dann eine kurze Ansprache: Ich dachte: Wozu? Laßt uns erst mal über <strong>de</strong>n Berg sein. Ein<br />
Mädchen aus <strong>de</strong>m Vereinshaus sagte im Hinblick auf <strong>de</strong>n Fackelzug: Unsere Gebete sind es,<br />
die uns <strong>de</strong>n Sieg gebracht haben. (Und was sagt dazu <strong>de</strong>r Ausgang <strong>de</strong>s Krieges)<br />
Die großen Siege über die Russen erweckten beson<strong>de</strong>rs Begeisterung, und Hin<strong>de</strong>nburg war<br />
bald <strong>de</strong>r Mann bei Groß und Klein. Es war rührend für mich, zu sehen, wie bei meinem 4<br />
jährigen Neffen die Augen strahlten, sobald ihm Hin<strong>de</strong>nburg genannt wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r er ein Bild<br />
von ihm sah. Freu<strong>de</strong>strahlend verkün<strong>de</strong>te er mir, wenn die Glocken läuten: Pat, <strong>de</strong>r<br />
Hin<strong>de</strong>nburg hot honnertdausend Russe <strong>de</strong>fange.<br />
Der Krieg weckt auch in <strong>de</strong>n sonst politisch so teilnahmslosen Bauersleuten ein großes<br />
Interesse fürs Weltgeschehen. Vielen genügten nicht mehr unsere Herborner und Dillenburger<br />
Lokalblättchen; sie hielten sich größere Zeitungen, auch kauften einige Karten von <strong>de</strong>n<br />
Kriegsschauplätzen. Freilich gab es auch wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, die nur wussten, daß Krieg ist. Im<br />
Dorf, und auf <strong>de</strong>m Feld bil<strong>de</strong>ten sich häufig kleine Gruppen, welche die großen Ereignisse<br />
besprachen. Ja, wenn unsere Söhne selbst draußen sind, da hat das ein ganz an<strong>de</strong>res Interesse<br />
für uns, was geschieht. Die Vorträge über <strong>de</strong>n Krieg auf <strong>de</strong>m Gemein<strong>de</strong>hause wur<strong>de</strong>n mit<br />
großem Interesse besucht. Einmal sprach Ernst Becker, ein geborener Breitschei<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r im<br />
Gefangenenlager in Klahn Dienst tat, über das Lager in Klahn und über England. Die<br />
Gemein<strong>de</strong>stube war gestopft voll, und auch einige Frauen stan<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Gange. Große<br />
Heiterkeit erregte es als <strong>de</strong>r vortragen<strong>de</strong> sein Verochen zum Besten gab:<br />
Dein schönes Meer, o Engeland,<br />
durchziehn wir ohne Ruh.<br />
Es bringt dich noch aus Rand und Band,<br />
<strong>de</strong>r schlichte Buchstab U.<br />
H Schiffe hast du mehr als wir,<br />
du alter Sün<strong>de</strong>r du,<br />
doch siehe wie, wir machen dir,<br />
für je<strong>de</strong>s H ein U.<br />
Die Truppensendungen auf <strong>de</strong>r Bahn sah sich mancher gerne an. Einmal machte auch die<br />
Schule <strong>de</strong>shalb einen Ausflug nach Herborn. Es war gera<strong>de</strong> eine Truppenüberführung von<br />
Belgien nach <strong>de</strong>m Osten. Auf einem Wagen stand: „Von Namur nach Petersburg“ Die<br />
Eindrücke, welche die Schüler bekommen hatten, wur<strong>de</strong>n dann zu einem Aufsatz verwertet,<br />
<strong>de</strong>r die Überschrift trug: „Von Namur nach Petersburg.“<br />
Die ersten Gefangenen kamen im Jahre 1915 zur Arbeit auf die Tonindustrie. Es waren<br />
Franzosen, darunter auch einige Belgier, etwa 20 Mann. Leibhaftige Franzosen einmal zu<br />
sehen, das war für unsere Dorfleute ein beson<strong>de</strong>res Ereignis. In erwartungsvoller Stimmung<br />
stan<strong>de</strong>n sie an <strong>de</strong>r Straße, vom Erdbacher Weg bis zum Kirchhof. Endlich hieß es (mittags um<br />
2 Uhr etwa): „Etz komme se!“ Ich begab mich ans Fenster. An <strong>de</strong>r Spitze marschierte unser<br />
Förster Heinrich Thielmann, <strong>de</strong>r sie als Wachmann führte, ein an<strong>de</strong>rer Wachposten ging<br />
hinter <strong>de</strong>m Trupp her. Der Gefangenentrupp bot ein buntes Bild. Sie hatten zum Teil noch die<br />
alte bunte Uniform, rote weite Hosen, blauen Kittel und das Käppi. Einer sah zu mir herauf,<br />
und wir blickten uns bei<strong>de</strong> lange und ernst an, als ob wir sagen wollten: „Ihr seid Menschen,<br />
so gut wie wir. Was kann <strong>de</strong>r Einzelne zu <strong>de</strong>m großen Unglück?“ Sie schritten durch die<br />
Menge hindurch, die sich würdig verhielt. Niemand beschimpfte sie. Wie ganz an<strong>de</strong>rs hat<br />
man unsere Soldaten in Frankreich behan<strong>de</strong>lt! „Boche“ (Bosch) das heißt: „Schmutziger Kerl<br />
war das allgemeine Schimpfwort drüben, von Tätlichkeiten und Rohheiten, selbst gegen die