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edauernswerten Verwun<strong>de</strong>ten, ganz zu schweigen. Die <strong>de</strong>utschen wur<strong>de</strong>n als unberechtigte<br />
Eindringlinge in Frankreich und Belgien betrachtet!<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r Gefangenen schwankte im Laufe <strong>de</strong>r Kriegsjahre zwischen 20 und 110. Einige<br />
Russen waren <strong>de</strong>n Bauern zur Hilfe zugeteilt. Einer von ihnen ließ sich in einer Nacht im<br />
Herbst 1916 am Seil aus <strong>de</strong>m Fenster seines Schlafstübchens herab und entfloh; er wur<strong>de</strong><br />
eingefangen, o<strong>de</strong>r hatte sich selbst wie<strong>de</strong>r gestellt, aber die Familie (Franze Friedrich) wollte<br />
ihn nicht mehr. Auch <strong>de</strong>r Napoleon, <strong>de</strong>r als Gehilfe <strong>de</strong>m Bäcker Wösch zugewiesen war,<br />
machte sich eines Tages aus <strong>de</strong>m Staube. Noch einige weitere Ausreißer gab es; einigen<br />
gelang es auch zu entkommen, an<strong>de</strong>re stellten sich freiwillig irgendwo wie<strong>de</strong>r. Im ganzen<br />
wur<strong>de</strong> das Ausreißen nicht zu ernst genommen. Der Russe Michel, <strong>de</strong>r bei einem Bauer war,<br />
fühlte sich sehr wohl in Breitscheid. Er wur<strong>de</strong> krank und in Decken eingehüllt, in einem<br />
beson<strong>de</strong>rem Wagen zur Bahn nach Erdbach gefahren. Meine Mutter erzählte mirs, als er<br />
vorbeifuhr. Da sagte ich zu ihr: So behutsam und fürsorglich geht man mit unseren<br />
Gefangenen in Rußland nicht um. Dabei nennt uns die ganze Welt „Husaren und Barbaren.“<br />
Die lebendige, unmittelbare Verbindung zwischen Kampffront und Heimat stellten die<br />
Urlauber dar. In bestimmten Zeitabstän<strong>de</strong>n kam je<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kompanie „an die Reihe“, auf<br />
Urlaub zu fahren. Wie freudig mochte das Herz <strong>de</strong>r Breitschei<strong>de</strong>r Krieger bewegt sein, wenn<br />
sie über „Gassen“ nach langer gefahrvoller Abwesenheit wie<strong>de</strong>r zum erstenmal die<br />
heimatlichen Gefil<strong>de</strong> sahen! Wer<strong>de</strong> ich dich jemals wie<strong>de</strong>rsehen, du traute Heimat?“ hatte<br />
gewiß mancher gedacht als er ihr beim Abschied einen letzten Blick zuwarf. Und nun sollte es<br />
doch wie<strong>de</strong>r sein! Der Sohn war <strong>de</strong>n Eltern auf Tage wie<strong>de</strong>rgegeben, von neuem geschenkt<br />
waren sich die Ehegatten, und die Kin<strong>de</strong>r schauten freudigbänglich zum Vater auf, <strong>de</strong>r<br />
verbannt und rau nach Kriegsart nun endlich leibhaftig wie<strong>de</strong>r vor ihnen stand.<br />
Wahre Feiertagsstimmung beseelt <strong>de</strong>n Krieger in <strong>de</strong>n ersten Urlaubstagen.<br />
„ Nun ward <strong>de</strong>r Traum von hun<strong>de</strong>rt wachen Nächten<br />
die Sehnsucht endlos langer Tage wahr.<br />
Ich daheim! – O liebes lichtes Wun<strong>de</strong>r!<br />
Als käm ich aus <strong>de</strong>m Grabe ist mirs immerdar.<br />
Ich bin daheim! Weiß nun, was Heimat ist.<br />
Mein blon<strong>de</strong>s Söhnlein spielt zu meinen Füßen,<br />
und meines Weibes Liebe geht und sorgt,<br />
mir je<strong>de</strong> Stun<strong>de</strong> fühlbar zu versüßen.<br />
(Bruno Großen)<br />
War die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ankunft bekannt, so wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Krieger natürlich abgeholt. Ich sah, wie<br />
ein ganzer Schwarm von Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n feldgrauen Wilhelm En<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n Erdbacherweg herauf<br />
begleitete. Und überall im Dorf mußten die Krieger mal kurz Re<strong>de</strong> und Antwort stehen, ehe<br />
sie <strong>de</strong>n Fuß über die Schwelle ihres Heimes setzen konnten. Gern zeigten viele <strong>de</strong>m Krieger,<br />
daß sie sich bewußt waren, was ihnen die Heimat zu danken hatte. Manche lu<strong>de</strong>n sie zum<br />
Essen ein o<strong>de</strong>r zum Glase Bier in <strong>de</strong>r Wirtschaft. Da gabs dann zu erzählen! Auch einige<br />
Urlauber besuchten <strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>r stille und treue. Louis Diehl saß bei mir. Viel sprach er nicht.<br />
Die lange Ungewissheit, ob er je wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m grausigen Kriege heimkehren wer<strong>de</strong>, lag<br />
<strong>de</strong>utend auf ihm. Er hat uns auch nicht wie<strong>de</strong>r gesehen. Er mel<strong>de</strong>te sich immer freiwillig auf<br />
Patrouille, draußen auf vorgeschobenem Posten wur<strong>de</strong> er durch Kopfschuß getötet. Die<br />
Heimat wird ihm seine Treue nicht vergessen. – Dann <strong>de</strong>r Louis Lehr, (Wie hasse ich <strong>de</strong>n<br />
französischen Namen Louis gera<strong>de</strong> in diesem Zusammenhang) unser Barbier. Je<strong>de</strong>smal<br />
besuchte er mich auf Urlaub. Allzeit gut aufgelegt, kamen keine düsteren To<strong>de</strong>sahnungen an<br />
ihn heran. Ein Telegramm rief ihn ans Sterbelager seiner Mutter. Er kam zu spät – auf <strong>de</strong>m<br />
Friedhof konnte er sie noch mal sehen. Seinen letzten Urlaub hatte er, als die Schlacht an <strong>de</strong>r<br />
Somme tobte. Wie herzlich drückte er noch seine 2 jährige Elli an sich, als er Abschied von