08.10.2013 Aufrufe

Monastic Island of Reicheneau - UNESCO: World Heritage

Monastic Island of Reicheneau - UNESCO: World Heritage

Monastic Island of Reicheneau - UNESCO: World Heritage

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1. Einleitung: Fragestellung,<br />

methodische Grundlagen und<br />

Bewertungskriterien<br />

Die heutige, durch intensiven Gemüsebau<br />

geprägte Agrarlandschaft der im Bodensee<br />

gelegenen Insel Reichenau ist hervorgegangen<br />

aus einer unter der Herrschaft des<br />

Reichenauer Klosters betriebenen Landwirtschaft,<br />

die für historische Zeiten durchaus<br />

als intensiv zu bezeichnen ist – dabei<br />

jedoch nicht auf die Selbstversorgung der<br />

gesamten dort lebenden Bevölkerung ausgerichtet<br />

war. Diverse, für die Landwirtschaft<br />

wichtige Produkte wurden vor allem<br />

von Allensbach – einer Marktgründung<br />

der Reichenauer Mönche – per Schiff<br />

auf die Insel geliefert. Trotz dieser zahlreichen,<br />

hier nur angedeuteten wirtschaftlichen<br />

und herrschaftspolitischen Verflechtungen<br />

zwischen der Insel und der sie<br />

umgebenden Bodenseeregion ist es angesichts<br />

der Insellage sowie vor allem auch<br />

im Hinblick auf die einzigartige Geschichte<br />

dieses Eilands gerechtfertigt, die Reichenau<br />

zunächst gesondert zu betrachten.<br />

Zweifelsohne ist die Geschichte des Klosters<br />

auf der Insel Reichenau außergewöhnlich.<br />

Von Pirmin im 8. Jahrhundert<br />

gegründet, zählte das Kloster zunächst zu<br />

den großen Stätten mittelalterlicher Geistlichkeit.<br />

Seine Wirkung reichte weit über<br />

die gänzlich dem Herrschaftsbereich des<br />

Klosters zugesprochene Insel hinaus. Der<br />

Name Reichenau hat selbst heute noch,<br />

fast zweihundert Jahre nach der endgültigen<br />

Auflösung des Klosters, eine besondere<br />

Bedeutung. Er löst dementsprechend<br />

bei vielen Menschen positive Assoziationen<br />

aus – die Anzahl der Busse, die alljährlich<br />

vor dem Kloster in Mittelzell parken,<br />

spricht Bände. 1<br />

Die Klosterbauten selbst sind ein gewichtiger,<br />

jedoch nur punktuell faßbarer Zeuge<br />

der großen Klostergeschichte und des dazugehörigen<br />

wechselseitigen Zusammenspiels<br />

zwischen den Mönchen und ihrer<br />

unmittelbaren materiellen wie immateriellen<br />

Umwelt. Letztendlich hingegen, so<br />

die These, sollte dieses besondere Wechselspiel<br />

zwischen dem Kloster und „seiner“<br />

Insel in der Kulturlandschaft der gesamten<br />

Reichenau mit besonderer Intensität<br />

in einer zu Landschaft gewordenen<br />

Gegenständlichkeit manifest werden.<br />

Historische Strukturen im Landschaftsbild<br />

Damit stellen sich die Fragen, wo und in<br />

welcher Form die einzigartige Geschichte<br />

der Klosterinsel Reichenau im heutigen<br />

Landschaftsbild greifbar wird? Welche<br />

Spuren, Strukturen und materielle Substanz<br />

der jahrhundertelangen Auseinandersetzung<br />

der Mönche, Fischer und Bauern<br />

mit ihrer Umwelt sind im heutigen<br />

Erscheinungsbild der Insel noch manifest?<br />

Hat sich das historische Raumgefüge<br />

als Ganzes, in Teilen, kaum oder überhaupt<br />

nicht erhalten? Inwieweit ist der<br />

aus der Geschichte ererbte Bauplan der<br />

Landschaft auch im ausgehenden 20.<br />

Jahrhundert nachvollziehbar?<br />

Anhand dieser Leitfragen soll im folgenden<br />

das Werden und Sein der Kulturlandschaft<br />

der Insel Reichenau in ihren Grundzügen<br />

für das 18. bis 20. Jahrhundert analysiert<br />

und im Anschluß bewertet werden.<br />

Die aufgelisteten Fragen machen zudem<br />

deutlich, daß in einer landschaftlichen<br />

Betrachtungsperspektive erst das Zusammenwirken<br />

von Substanz und Struktur<br />

über die „historische Wertigkeit“ einer<br />

Kulturlandschaft entscheidet. Eine aus historisch-geographischer<br />

Sicht erarbeitete<br />

Bewertung muß daher primär danach fragen,<br />

inwieweit die Geschichte insbesondere<br />

in Form von Strukturen und darüber<br />

hinaus in Form von materiellen Spuren in<br />

der Landschaft noch ablesbar ist. Im Zentrum<br />

der in dieser Studie vorgelegten Bewertung<br />

steht damit der historische Zeugniswert<br />

der in der Reichenaulandschaft<br />

erkennbaren, aus der Geschichte ererbten<br />

Strukturen. Die Bewertung der materiellen<br />

Substanz, insbesondere der baulichen Substanz<br />

der Kirchen und anderer Gebäude,<br />

ist demgegenüber nicht primär Aufgabe<br />

der historischen Geographie, sondern<br />

wird der Baudenkmalpflege und der Bodendenkmalpflege<br />

überlassen. Die in der<br />

1 Historische Gebäude wie Klöster oder Kirchen<br />

ebenso wie archäologische Stätten und<br />

historisch gewordene Kulturlandschaften<br />

sind nicht einfach nur „Dinge an sich“, sondern<br />

mit ihnen verbinden sich werthaltige<br />

Bilder. Aus einer semiotisch ausgerichteten<br />

Perspektive werden diese Gebäude, Stätten<br />

und Landschaften zu einem Reservoir an materiellen<br />

Zeichen. Je nach historischem und<br />

individuellem Kontext werden letztere jedoch<br />

unterschiedlich wahrgenommen und<br />

erhalten dadurch verschiedene ideelle Wertigkeiten<br />

zugesprochen.<br />

Enclosure A 10<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!