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Sonja Schierbaum ◆ Selbstwissen und Wissen über die Welt:<br />

Die Einheit der intuitiven Kenntnis bei Ockham<br />

Das ontologische Sparprogramm Wilhelm von Ockhams enthält bekanntlich nur Einzeldinge,<br />

und zwar Einzelsubstanzen (dieser Mensch, diese Blume) und deren Qualitäten (die Weisheit dieses<br />

Menschen, das Rot dieser Blume). Ockham unterscheidet neben der sinnlichen Wahrnehmung<br />

explizit eine Fähigkeit des Intellekts, diese Einzeldinge als Einzeldinge zu erfassen, und zwar die<br />

sogenannte „intuitive Kenntnis“ (notitia intuitiva). Dieser kommt die besondere Funktion zu, evidente<br />

Urteile über Dinge zu ermöglichen, die dem Erkennenden gegenwärtig sind („Diese Blume ist rot.“)<br />

In der Ockham-Forschung sind externalistische Lesarten prominent, denen zufolge der Gehalt eines<br />

intuitiven Akts nicht (nur) durch interne Faktoren, sondern (auch) durch eine externe (kausale)<br />

Relation zu dem Gegenstand bestimmt wird, auf den sich der Akt bezieht. Diese Lesart ist plausibel.<br />

Es ist aber zu fragen, ob sie damit vereinbar ist, daß die intuitive Kenntnis ihre Funktion auch in<br />

Bezug auf evidente Urteile über aktuelle mentale Akte und Zustände des Erkennenden erfüllt („Ich<br />

sehe eine Blume.“) Wie ist aber ein Wissen von den eigenen Akten möglich, wenn deren Gehalt<br />

(auch) durch externe Faktoren bestimmt wird? Der Schlüssel zu einer Antwort liegt in Ockhams<br />

Unterscheidung von reflexiven und nicht-reflexiven Akten: Wird der Gehalt des intuitiven Erfassens<br />

etwa einer Blume durch eine externe (kausale) Relation bestimmt, so wird der Gehalt des intuitiven<br />

Erfassens, das sich auf diesen ersten Akt bezieht, (zumindest teils) durch den Gehalt des ersten Akts<br />

bestimmt: Der Gehalt des ersten Akts ist als Teilgehalt in dem zweiten Akt enthalten. Demnach ist<br />

ein Urteil über einen mentalen Akt („Ich sehe eine Blume“) genau dann evident, wenn das Urteil<br />

über den Gegenstand des Akts („Da ist eine Blume“) evident ist. Daraus folgt, daß Selbstwissen bei<br />

Ockham – als Wissen von eigenen mentalen Akten – keine besondere Form des Wissens darstellt, die<br />

sich grundsätzlich von kontingentem Tatsachenwissen unterscheidet. ◆<br />

S Pedro Schmechtig ◆ Faktivität und epistemisches Verstehen<br />

Vertreter der Unabhängigkeit epistemischen Verstehens haben zu zeigen versucht, dass sich die<br />

Natur dieses Verstehens nicht darin erschöpft, eine bloße Spezies des Wissens zu sein. Umstritten ist<br />

allerdings, wie eine solche Abgrenzung auszusehen hat. Während einige Autoren behaupten, dass epistemisches<br />

Verstehen nicht faktiv ist, wird diese Annahme von anderen zurückgewiesen. Unklar bleibt<br />

dabei, was mit Faktivität gemeint ist. Oft wird gesagt, Verstehen sei faktiv, da die Überzeugung, die<br />

den Zustand des Verstehens konstituiert, wahr sein muss. Diese Behauptung deckt sich aber nicht mit<br />

der Herangehensweise, gemäß der man üblicherweise die Faktivität von Wissen bestimmt. Im ersten<br />

Teil meines Vortrags werde ich kurz diese Herangehensweise schildern. Demnach versucht man Bedingungen<br />

zu formulieren, die ein sprachlicher Ausdruck erfüllen muss, um <strong>für</strong> einen faktiven mentalen<br />

Zustand stehen zu können. Zwei dieser Bedingungen sind <strong>für</strong> den Vortrag von besonderem Interesse:<br />

Ein sprachlicher Ausdruck φ, der <strong>für</strong> einen faktiven (mentalen) Zustand steht, sollte erstens im Sinne<br />

der logischen Implikation ein faktiver Operator sein (wenn S φ-t, dass p, dann p). Und zweitens muss es<br />

möglich sein, jemanden mit diesem Ausdruck eine propositionale Einstellung zuschreiben zu können.<br />

Im zweiten Teil wird da<strong>für</strong> argumentiert, dass epistemisches Verstehen – gemessen an diesen Bedingungen<br />

– nicht faktiv ist. Dies geschieht in dreierlei Hinsicht: (i) Aus der Behauptung, dass epistemisches<br />

Verstehen durch eine Überzeugung konstituiert wird, die wahr sein muss (S versteht nur dann, dass<br />

p, wenn S’s Überzeugung, dass p, wahr), folgt nicht, dass derartiges Verstehen ein faktiver Operator<br />

ist. (ii) Gemäß einer gängigen Hypothese sind nur solche Einstellungsverben als faktive Operatoren<br />

zu bezeichnen, die sowohl mit einem deklarativen als auch mit einem bestimmten interrogativen Satzkomplement<br />

– dem sog. „ob“-Satzkomplement – kombinierbar sind. Doch im Vergleich zu Wissen<br />

ist ein Einstellungsverb wie Verstehen nicht mit einem solchen interrogativen „ob“-Satzkomplement<br />

vereinbar. (iii) Darüber hinaus werde ich die allgemeine Voraussetzung infrage stellen, dass das in epistemischer<br />

Hinsicht paradigmatische Verstehen propositionaler Natur ist. ◆<br />

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