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Thorsten Streubel ◆ Das Gehirn-Geist-Problem aus phänomenologischer Sicht<br />
Durch Descartes’ substantielle Trennung von Körper und Geist ist das Leib-Seele-Problem zu<br />
einem Dauerthema der neuzeitlichen Philosophie avanciert. Es nimmt zudem seit einiger Zeit einen<br />
zentralen Platz in den philosophischen Gegenwartsdebatten ein. Trotz vehementer Kritik am psychophysischen<br />
Dualismus (vor allem von naturalistischer Seite) wird dieses Problem jedoch bis heute<br />
im Rahmen des cartesischen Paradigmas diskutiert, insofern an der Substantialität der Natur zumeist<br />
festgehalten und lediglich nach der ontologischen Stellung mentaler Phänomene gefragt wird. Trotz<br />
zahlreicher Versuche, mentale Phänomene zu naturalisieren, ist der dualistische Ansatz als solcher<br />
mitnichten überwunden: Erst der vorausgesetzte Dualismus lässt eine naturalistisch-monistische<br />
Antwort als sinnvolle Problemlösung erscheinen. Denn ohne vorherige Ansetzung einer naturalen<br />
und einer mentalen Sphäre gäbe es überhaupt kein Gehirn-Geist-Problem. In diesem Vortrag soll<br />
demgegenüber gezeigt werden, dass die cartesianische Problemstellung selbst fragwürdig ist. Es wird<br />
dabei der Versuch unternommen, das Gehirn-Geist-Problem mit phänomenologischen Mitteln zu<br />
behandeln. Zu diesem Zwecke wird die Frage nach dem Verhältnis von Körper und Geist, Gehirn<br />
und Bewusstsein zunächst durch die Frage substituiert: In welchem Verhältnis stehen Körper und<br />
Geist anschaulich zueinander? Es gilt mit anderen Worten auf die Phänomene von Körper und Geist<br />
zu reflektieren und deren Verhältnis zu beschreiben. Dabei zeigt sich, dass sowohl naturale als auch<br />
mentale Phänomene durch zwei weitere Phänomene bedingt sind, die weder der Kategorie des Körpers<br />
noch der des Geistes zugeordnet werden können: Bewusstsein und Leib. Bewusstsein wird dabei<br />
nicht als Weltinnenraum (Psyche, mind etc.) verstanden, sondern als Präsenz von Selbst und Welt.<br />
Hierdurch wird von vornherein jegliche Subjekt-Objekt-Spaltung als sachfremd zurückgewiesen.<br />
Der Leib wird als Medium der Welt und als Ansich des eigenen Körpers exponiert. Erst die Berücksichtigung<br />
dieser Momente ermöglicht eine sachangemessene Reformulierung der traditionellen<br />
Körper-Geist-Problematik. ◆<br />
Thomas Szanto ◆ Wer hat Angst vor grenzenlosen Geistern?<br />
Vom Extended Mind zum Gruppengeist und zurück<br />
Die Frage nach den Grenzen des Mentalen ist in den letzten Jahren zusehends in den Mittelpunkt<br />
des Interesses sowohl der Philosophie des Geistes und Handlungstheorie als auch der Kognitionswissenschaften<br />
und der KI-Forschung gerückt. Es lassen sich dabei im Wesentlichen zwei dominante<br />
anti-indivualistische Tendenzen ausmachen, die jeweils die traditionelle cartesianische Geographie<br />
des Geistes – d. i. die Konzeption des Geistes als ein Individuen bzw. organischen oder nicht-organischen/komputationalen<br />
kognitiven Systemen internes Vorkommnis – grundlegend herausfordern:<br />
zum einen jene kognitionswissenschaftlich orientierten Ansätze, die die sog. Extended-Mind-These<br />
starkmachen, wonach das Geistige nicht innerhalb der Grenzen (des Gehirns, der Haut etc.) von<br />
Individuen haltmacht, sondern vielmehr alle kognitiven Prozesse umfasst, die in einer adaptiven<br />
Interaktion zwischen leiblichen Individuen und ihrer Umwelt statthaben (vgl. Clark/Chalmers 1998;<br />
Clark 2008; Noë 2009; Menary 2010; Rowlands 2010); zum anderen die Idee von kollektiv-aggregierten<br />
oder geteilten mentalen Zuständen bzw. die Postulierung eines Gruppengeistes, welcher (explanatorisch<br />
und/oder ontologisch) nicht auf individuelle mentale Zustände reduzibel ist (vgl. Pettit<br />
2003; Pettit/Schweikard 2006; Gilbert 2009; Schmid 2009). Nun ist bis auf wenige bemerkenswerte<br />
Ausnahmen (Wilson 2005; Bosse et al. 2006; Tollefsen 2006) der strukturellen, sachlichen<br />
bzw. methodologischen Parallelen zwischen diesen beiden anti-individualistischen Konzeptionen<br />
des Geistes bislang kaum Beachtung geschenkt worden. Der Vortrag zielt darauf, dieses Desiderat<br />
zu schließen und sowohl zu einer kollektivistischen Rekonstruktion der Extended-Mind-These als<br />
auch zu einer Reformulierung der kollektiven Intentionalitätsdebatte aus der Perspektive des aktiven<br />
Externalismus beizutragen. ◆<br />
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