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Birge Krondorfer ◆ Inklusion und Exklusion in Geschlechtertheorien<br />
und Migrationsdebatten. Dialektiken<br />
von Pluralität, Identität, Anerkennung<br />
Auch in eloquenten Publikationen zu Migration wird – jenseits der sich wiederholenden<br />
Erwähnung des Zusammenhangs von Sex-, Rass-, Klassismus – zumeist die Sonderstellung von<br />
Migrantinnen nicht mitbedacht. Geschlechterdemokratische ‚Inklusion‘ ist wohl auch in diesem<br />
Kontext bislang nicht zu haben. Doch erweisen sich die Debatten um Dilemmata von Integration<br />
und Ausschluß, Teilhabe und Vereinnahmung im migrantischen Feld als den gendertheoretischen<br />
Diskursen ähnlich – wobei dies weniger unter dem Label In- und Exklusion, denn unter den<br />
Paradigmen Geschlechtergleichheit und Geschlechterdifferenz ver- und behandelt wurde. Die<br />
Kontroversen innerhalb der feministischen Ansätze können mit Emanzipationshoffung versus<br />
Assimilationskritik beschrieben werden. Was noch aussteht, ist der Vergleich der unterschiedlichen<br />
gender-philosophischen Perspektiven mit jenen der Migrationsdebatten, deren Gemeinsamkeiten<br />
und/oder Differenzen zu eruieren und mit der Infragestellung nach Teilhabe und Teilnahme an<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> zu konfrontieren. Partizipation, Inklusion und Integration, so sie realpolitisch<br />
überhaupt umgesetzt werden, sprechen von dem Wunsch nach Annahme im System, was die<br />
Anerkennung des Systems impliziert. Vielleicht wird z. B. bei der Kopftuchpolitik in Europa im<br />
Sinne einer Zwangsintegration in westliche Weiblichkeitsnormen der Stolz der Dissidenz der<br />
Trägerinnen unterschlagen. Mit Hannah Arendt wäre zu bedenken, dass ein undifferenziert<br />
imaginiertes Innen als politische Rahmung ein totalitäres Modell abgäbe, welches die Bedingungen<br />
des Politischen zerstören würde. ◆<br />
Karin Kuchler ◆ Figuren der Anderen<br />
als Grenzen des Selbstverständnis der europäischen Philosophie<br />
Philosophie und Europa scheinen durch eine besondere, ja intime Beziehung zueinander ausgezeichnet<br />
zu sein – mehr noch: zu einem bestimmten Zeitpunkt ist gar eines definiens des anderen<br />
gewesen und vice versa. Diese Erzählung einer besonderen Beziehung berichtet ebenso von einer<br />
historischen Begründung derselben, wie sie selbst historisch bedingt ist. Von einem Europa oder<br />
gar von einem Europäischen kann vor dem 16. Jahrhundert keine Rede sein – und dies im nicht<br />
allein im übertragenen Sinn der Wendung: Tatsächlich wird das Wort selbst ebenso wenig verwendet<br />
wie es als Ordnungsbegriff dient. So gibt es denn auch keine Erzählung der europäischen Philosophie<br />
vor der Neuzeit. Es ist in der europäischen (deutschen, protestantischen) Frühaufklärung,<br />
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dass zum ersten Mal von einer europäischen Philosophie<br />
gehandelt wird. Vor dem Hintergrund der methodischen Wende der Philosophiegeschichtsschreibung<br />
von der Heilsgeschichte zum Pragmatismus ist es Johann Jakob Brucker, der die europäische<br />
Philosophie einer antiken barbarischen Philosophie ebenso gegenüberstellt, wie einer modernen.<br />
Es ist in Absetzung zu den Anderen, den barbarischen, den nicht-europäischen, dass diese Rede<br />
in Stand gesetzt wird. Und eben so bleiben sie in der Verhandlung darüber was die europäische<br />
Philosophie ist immer gegenwärtig – als zu verabschiedende Angerufene. In meinem Vortrag<br />
möchte ich Ihnen mehrere dieser Figuren der Anrufung aus meiner historisch-empirischen<br />
Untersuchung philosophiegeschichtlicher Werke vorführen. ◆<br />
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