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B<br />
Josef Barla ◆ „Kapitalistische Quasi-Objekte“<br />
Versuch einer Latourschen Lesart von Marx’ Schriften<br />
In seiner Konzeption eines realistischen Realismus, mit dem sich der französische Soziologe und<br />
Wissenschaftsforscher Bruno Latour sowohl realistischen als auch sozialkonstruktivistischen Ansätzen<br />
entziehen möchte, plädiert dieser <strong>für</strong> eine Theorie der Quasi-Objekte, innerhalb der Dinge<br />
nicht auf kalte, asoziale und damit passive Objekte reduziert, sondern als wesentlich mitbeteiligt an<br />
der Knüpfung und Stabilisierung des „sozialen Bandes“ verstanden werden. Damit versucht Latour<br />
sich nicht nur der Dichotomie von Natur und <strong>Gesellschaft</strong>, Subjekt und Objekt sowie <strong>Gesellschaft</strong><br />
und Technik zu entziehen, sondern argumentiert auch, dass Begriffe wie das Soziale und die <strong>Gesellschaft</strong><br />
zugunsten von Begriffen wie Assoziationen und Kollektiven aufgegeben werden sollten. Vor<br />
diesem Hintergrund hält Latour vor allem den Sozialwissenschaften vor, „doppelt zu sehen“, indem<br />
diese Objekte entweder bloß als leere Folien <strong>für</strong> soziale Einschreibungen verstehen, oder aber als so<br />
mächtig begreifen, dass diesen zugestanden wird, die <strong>Gesellschaft</strong> zu gestalten. Dieser Sichtweise hält<br />
Latour ein Verständnis entgegen, innerhalb dessen Objekte gleichzeitig als Subjekte, Objekte und<br />
Diskurse zirkulieren. So seien beispielsweise Maschinen mit Subjekten und Kollektiven befrachtet.<br />
Mit unserem Vortrag möchten wir nicht der Frage nachgehen, inwiefern Latours Kritik auf die<br />
Sozialwissenschaften tatsächlich zutrifft, als vielmehr vor dem Hintergrund Latours theoretischen<br />
Überlegungen, eine Lesart Marx’ Schriften vorstellen, innerhalb der Objekte keineswegs bloß passiv,<br />
stumm und asozial sind. Eine Lesart, in der etwa die Maschine nicht losgelöst von dem, was Latour als<br />
Assoziation bezeichnet, behandelt wird, sondern diese mit menschlichen und nicht-menschlichen<br />
Akteuren verflochten bzw. vernetzt, sich gegenseitig beeinflussend und beeinflusst verstanden, und<br />
analytisch in bestehende ökonomische und politische Verhältnisse eingebettet wird.◆<br />
Michael Benedikt ◆ Anthropodizee statt Fundamentaltheologie<br />
Fundamentaltheologie beansprucht, des Menschen Vernunft offen zu halten, <strong>für</strong> ein Aus-sich-<br />
Heraustreten des Unvordenklichen als Gottheit. Zugleich wird dem Menschen – seiner Mit- und<br />
Umwelt – eine Dienstfunktion gegenüber der Gottheit eingeräumt. Die Projektion jener „ziszendenten<br />
Transzendenz“ (H. Wagner) aus menschlicher Entwurfsleistung als „Über-ich“ bleibt hierbei<br />
zumeist unbefragt; ebenso die mehr als vierfachen Modi des Atheismus (dogmatisch-politisch,<br />
analytisch, semantisch und hermeneutisch). Deshalb verfällt diese Konfiguration bei aller dazugehörigen<br />
mehrfachen „Analogie“ schließlich der Herr – Knecht – Dialektik Hegels. Dagegen ist<br />
„Anthropodizee“ – als Umkehr der von Kant kritisierten Theodizee (Rechtfertigung der Bonität<br />
der Gottheit gegenüber dem Übel der von Gott geschaffenen und erhaltenen Welt) – in Schöpfung<br />
– Geschichte – Vollendung zu denken: wie also sei der Mensch als Knecht, Kindschaft, Sohn –<br />
Töchterschaft in entsprechende Mündigkeit einzubringen? Mündigkeit gegenüber Natur – Umwelt,<br />
Geschichtsverläufen, gesellschaftlich-künstlerischen Vollzugsformen, zuletzt auch – mit Bedacht auf<br />
die vierfachen Atheismen – auch der Gottheit gegenüber. Hier ist neben Johannes (samt jenes der<br />
Briefe sowie der Apokalypse) und den drei weiteren Evangelien das logion Paulus’ an die Kolosser<br />
(1,24) heranzuziehen: Da er, Paulus, und seine Nachfolger, das, was an Leid (Leiden) des huios tou<br />
theou, noch ausstehe, aufzufüllen gerufen sind. Hierzu sei noch an die Volksliturgie des Franz X.<br />
v. Kohlmeier (M. Haydn) erinnert, da unsereins, zusammen mit der entsprechenden Lebenswelt,<br />
die doxa tou theou zu vermehren aufgerufen seien. Anthropodizee, also Rechtfertigung des durch<br />
Atheismen hindurchgehenden anthropos, ist also die zeitgemäßere und zukunftsweisende Gestaltung<br />
jenes Menschentums, welches im Gefolge der theotókos in die innere Gestaltung der Gottheit – in<br />
Nachfolge Meister Eckharts und Taulers – hineinlangt. Folgende Überlegungen sind diesem Zulangen<br />
der Anthropodizee gewidmet, welche somit Fundamentaltheologie abzulösen vermag.◆<br />
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