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Nikolaos Psarros ◆ Naturgesetze als Beschreibungen von Prozessformen<br />

Die Bestimmung des Status von Naturgesetzen bereitet notorisch wissenschaftstheoretische und<br />

ontologische Schwierigkeiten, da Naturgesetze üblicherweise als eine Art von logischer Verknüpfung<br />

zwischen Ereignissen oder Ereignistypen aufgefasst werden. Diese Interpretation führt zu paradoxen<br />

Konsequenzen, die man durch verschiedene ad hoc-Maßnahmen (etwa durch die Formulierung von<br />

ceteris paribus Klauseln, durch Umformung in kontrafaktische Aussagen oder durch eine pragmatische<br />

Interpretation des „wenn-dann“-Junktors) zu beheben versucht. Jeder dieser Reparatur-<br />

vorschläge führt jedoch zu weiteren Problemen, was einige Autoren(z.B. Nancy Cartwright) dazu<br />

veranlasst, naturgesetzlichen Aussagen keinen Aussagestatus mehr über reale Ereignisse mehr zuzuschreiben.<br />

Die logischen und empirischen Unstimmigkeiten naturgesetzlicher Aussagen können<br />

jedoch aufgehoben werden, wenn Naturgesetze nicht mehr als Beschreibungen faktischer Prozessabläufe,<br />

sondern als Beschreibungen von Prozessformen betrachtet werden. Faktische Prozessabläufe<br />

werden in diesem Zusammenhang als Aktualisierungen von Prozessformen verstanden, wobei der<br />

Terminus „Prozessform“ in Analogie zum klassischen ontologischen Terminus „(Substanz-)Form“<br />

verstanden wird. Faktische Prozessverläufe besitzen somit als Formaktualisierungen auch akzidentelle<br />

Merkmale, die durch geeignete Techniken eliminiert werden, so dass der faktische Prozessverlauf mehr<br />

und mehr dem Verlauf der Prozessform entspricht. Ein Naturgesetz beschreibt diesen unter idealen<br />

Bedingungen aktualisierbaren Formverlauf. Diese Auffassung von naturgesetzliche Verläufen erklärt:<br />

1) die Normativität naturgesetzlicher aussagen 2) die Exhaurierbarkeit naturgesetzlicher aussagen,<br />

d.h. den Umstand, dass sie nicht durch den alleinigen Aufweis von einzelne Gegenbeispielen<br />

falsifiziert werden können. 3) die Möglichkeit, naturgesetzliche Verläufe mit Hilfe „nomologischer<br />

Maschinen“ (Cartwright) technisch darzustellen. ◆<br />

Klaus Puhl ◆ Grenzen der Erfahrung und Erfahrung von Grenzen:<br />

Raymond Williams und Michel Foucault<br />

In meinem Vortrag möchte ich zwei Modelle von Erfahrung diskutieren, die mir explanatorisch<br />

relevant erscheinen. Dabei handelt es sich um Michel Foucaults zeitweise vertretenes Modell der<br />

Grenzerfahrung, das er im Rahmen von Literatur und Wahnsinn entwickelt hat, und um Raymond<br />

Williams’ Konzeption einer structure of feeling. Grenzerfahrungen sind <strong>für</strong> Foucault die extreme<br />

Form von verändernden Erfahrungen, „die das Subjekt von sich selbst losreißen“. Der britische<br />

Literaturtheoretiker, Soziologe und Mitbegründer der Cultural Studies, Raymond Williams, suchte<br />

mit seinem facettenreichen Begriff der structure of feeling ähnlich wie Foucault eine Erklärungsebene<br />

<strong>für</strong> gelebte sozio-kulturelle Bedeutungen und Werte zu etablieren, die weder als Effekt<br />

anonymer Strukturen (Marxismus, Strukturalismus) interpretierbar ist, noch ideengeschichtlich<br />

vom Sozialen getrennt werden kann und sich auch nicht auf die Erfahrungen der <strong>Gesellschaft</strong>smitglieder<br />

reduzieren lässt. Ich möchte vor allem einen Aspekt der structure of feeling herausgreifen und<br />

ihn als Grenzerfahrung im Sinne Foucaults interpretieren. Ein wichtiger Teil der structure of feeling<br />

sind nämlich bei Williams Erfahrungen, die sich zunächst als kognitive Dissonanzen, Blockaden, affektive<br />

Spannungen zwischen dem dominanten Offiziellen, Institutionalisierten und sprachlich Artikulierbaren<br />

einerseits und dem Gelebten andererseits bemerkbar machen, was schließlich zu einer<br />

Veränderung auf sozialer aber auch individueller Ebene führt und neue praktische und theoretische<br />

Perspektiven möglich macht. Während es bei Foucault primär das individuelle Subjekt ist, das seine<br />

bisherige Grenze erfährt, zeigt bei Williams die erfahrene Grenze auch eine Grenze der jeweiligen<br />

dominanten gesellschaftlichen Situation auf. Williams’ structure of feeling könnte also als Korrektiv der<br />

Foucaultschen Grenzerfahrung dienen. ◆<br />

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