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Beniamino Fortis ◆ „Grenzüberschreitung“ als Leitmotiv<br />

<strong>für</strong> eine neue Auffassung von Kunst und Ästhetik<br />

Das herkömmliche Modell der Konvergenz zwischen den Bereichen Kunst, Kunstwerk und<br />

Ästhetik ist schon lange hinfällig geworden. Die zwischen ihnen vorausgesetzte Beziehung ist in eine<br />

Krise geraten, die zur Aufteilung der drei Gebiete geführt hat: Die Kunst kann nicht mehr auf die<br />

Materialität ihrer Werke zurückgeführt werden und die Ästhetik lässt sich nicht mehr völlig unter<br />

eine rein künstlerische Dimension einordnen. Zwei Tendenzen definieren also diese Aufteilung:<br />

erstens, eine Erweiterung des Geltungsbereichs der Kunst über das Kunstwerk hinaus und zweitens,<br />

eine Ausweitung der Ästhetik, von einer kunstzentrierten Konzeption auf eine solche, deren Hauptthemen<br />

vielmehr Wahrnehmung und Fühlen sind. Die damit erlangte wechselseitige Unabhängigkeit<br />

bietet die Basis, auf deren Grundlage einerseits von einer „Kunst ohne Kunstwerke“ und anderseits<br />

von einer „Ästhetik über Kunst hinaus“ die Rede sein kann. Diese Prozesse lassen sich am besten<br />

unter Rekurs auf den Begriff „Grenzüberschreitung“ erläutern. Die Kunst macht sich vom Kunstwerk<br />

insoweit frei, als sie eine unabhängige Dynamik entfalten kann, die auch ohne die Materialität des<br />

Werkes fähig ist, Sinn zu ergeben. Überschritten wird also auf dieser Weise die theoretische Grenze,<br />

die traditionsgemäß eine Überlagerung von Kunst und Kunstwerke annimmt und die zwei Gebiete<br />

zur Konvergenz zwingt. Auf der anderen Seite wendet sich die Ästhetik von der Kunst insofern ab,<br />

als sie die gesamte Wirklichkeit als weiteren Anwendungskontext in Betracht zieht. Nicht nur über<br />

die Kunst kann ein ästhetischer Ansatz also Rechenschaft ablegen, sondern auch über viele andere<br />

Bereiche. Gerade damit überschreitet die Ästhetik die Grenze, die sie traditionell auf die Kunst alleine<br />

beschränkt hat. Ziel dieses Essays ist es zuletzt, Grundtendenzen der zeitgenössischen Auffassung zu<br />

analysieren – und zwar im Lichte der Grenzüberschreitungsdynamik, die den Begriffen „Kunst ohne<br />

Kunstwerke“ und „Ästhetik über Kunst hinaus“ zugrunde liegt. ◆<br />

Guillaume Fréchette ◆ Brentano über innere Wahrnehmung und Zeitbewußtsein<br />

Bekanntlich verwirft Brentano die These, dass das innere Bewusstsein durch das Bewusstsein eines<br />

Ich charakterisiert werden kann. Selbstbewusstein wird nach ihm durch die innere Wahrnehmung<br />

von einzelnen Akten charakterisiert. Oft wird Brentano vorgeworfen, dass diese Auffassung vor der<br />

Gefahr einer Regression nicht gefeit ist: Z. B. vertritt Brentano die These, dass jeder psychische Akt<br />

A ist im Akt α nebenbei vorgestellt und mit Evidenz anerkannt wird (t1). Wenn man aber bedenkt,<br />

dass jedes Urteil eine Vorstellung voraussetzt (t2), erscheint t1 als problematisch: um „Sokrates ist<br />

krank“ (u1) zu urteilen, muss man zuerst den kranken Sokrates vorstellen. Aber wenn jeder psychische<br />

Akt durch die innere Wahrnehmung anerkannt wird, dann ist die Vorstellung des kranken<br />

Sokrates erst dann möglich, wenn noch ein Urteil nebenbei gefällt wird. Nennen wir dieses Urteil<br />

u2: Dann basiert aber u2 selbst auf einer Vorstellung, die ihrerseits noch ein drittes Urteil (u3) voraussetzt,<br />

usw. Diese Regression ist deshalb problematisch, weil durch sie die Einheit des Bewußtseins<br />

nicht gewährleistet werden kann. In seiner Psychologie bietet Brentano eine Lösung an zu diesem<br />

Problem der Regression. Um seinen Lösungsvorschlag anzunehmen muss man jedoch ein anderes<br />

Element ins Spiel bringen, das nicht in der Psychologie besprochen wurde, nämlich seine Auffassung<br />

der Struktur des Zeitbewusstseins und der urspünglichen Assoziation. In meinem Vortrag schlage ich<br />

eine Rekonstruktion von Brentanos Auffassung der inneren Wahrnehmung vor, die dieses Element<br />

in Betracht nimmt. Anhand dieser Rekonstruktion versuche ich zu zeigen, dass einige der Einwände<br />

der husserlschen Phänomenologie den Kern von Brentanos Theorie nicht zutreffen. ◆<br />

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