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W<br />
Thomas Weitner ◆ Die normative Relevanz staatlicher Grenzen und<br />
das Argument der moralischen Arbeitsteilung<br />
In der aktuellen Debatte um globale Gerechtigkeit wird kontrovers diskutiert, welche moralische<br />
Signifikanz staatliche Grenzen <strong>für</strong> Reichweite, Stärke und Inhalt von Pflichten haben. Eng verknüpft<br />
mit dieser Problematik ist die Frage, ob und wie sich besondere Pflichten gegenüber Mitbürgern vor<br />
dem Hintergrund einer universalistischen Ethik rechtfertigen lassen. Das von Robert Goodin und<br />
Alan Gewirth unabhängig entwickelte Argument der moralischen Arbeitsteilung liefert m. E. eine<br />
überzeugende Antwort auf beide Fragen. Es besagt im Kern, dass die Institutionen des Rechts- und<br />
Sozialstaates die einzig uns bekannten Mittel darstellen, die grundlegenden Rechte aller Menschen<br />
effektiv und nachhaltig zu schützen. Eine Einzelstaatliche Weltordnung lässt sich als arbeitsteiliges<br />
System interpretieren, in dem jedem Staat (und seinen Bürgern) die besondere Pflicht zukommt,<br />
die Menschenrechte der eigenen Mitbürger zu schützen. Diese besonderen Pflichten können somit<br />
als zugewiesene universelle Pflichten verstanden werden. Staatsgrenzen sind nach dieser Konzeption<br />
bloße Zuständigkeitseinteilungen und haben lediglich instrumentelle Bedeutung. Trotz seiner Plausibilität<br />
sehen viele Autoren das Argument der moralischen Arbeitsteilung als gescheitert an. Daher<br />
möchte ich – nachdem ich das Argument in seiner deontologischen Variante vorgestellt habe – diesen<br />
Einwänden entgegentreten. Dazu sind eine Reihe von Erweiterungen und Modifikationen nötig.<br />
Erstens muss die einzelstaatliche Weltordnung einem moralischen Subsidiaritätsprinzip gemäß organisiert<br />
werden, demzufolge höhere Instanzen aushelfen, sobald ein Staat nicht in der Lage oder nicht<br />
willens ist, die grundlegenden Rechte seiner Bürger zu schützen. In diesem Zusammenhang werde<br />
ich John Rawls’ Idee einer Unterstützungspflicht aufgreifen. Zweitens muss die einzelstaatliche Ordnung<br />
um Institutionen einer global governance ergänzt werden, um kollektive Handlungsprobleme<br />
(Klimawandel, Finanzkrisen) bewältigen zu können. ◆<br />
Fabian Wendt ◆ Pluralismus und Frieden<br />
Viele zeitgenössische politische Philosophen akzeptieren den moralischen Pluralismus unserer<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en als ein zu respektierendes Faktum, das den Ausgangspunkt <strong>für</strong> die politische Philosophie<br />
bilden muss. Besonders einflussreich ist John Rawls’ Antwort auf dieses Faktum: Nach Rawls<br />
sollten wir angesichts des moralischen Pluralismus nach einem übergreifenden Konsens über „frei-<br />
stehend“ entwickelte Gerechtigkeitsprinzipien streben, die sich wie ein Modul in verschiedenste umfassende<br />
Lehren mit ihren unterschiedlichen moralischen, philosophischen und religiösen Auffassungen<br />
einpassen lassen. In meinem Vortrag soll dagegen eine alternative, weniger beliebte Antwort auf<br />
den moralischen Pluralismus diskutiert werden: Angesichts des moralischen Pluralismus sollte nicht<br />
Gerechtigkeit, sondern Frieden, ein Modus Vivendi, als innergesellschaftliches Ziel angesehen<br />
werden. Es werden zwei Fragen im Mittelpunkt stehen: Was ist unter Frieden als innergesellschaftlichem<br />
Ideal zu verstehen? Warum ist Frieden als Ideal besser mit dem moralischen Pluralismus<br />
vereinbar als Gerechtigkeit? ◆<br />
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