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Frank Pauly ◆ Grenz-Aufhebung als inhaltliches und methodisches Prinzip einer<br />
kosmogonischen Fundierung der Ethik bei Hans Jonas<br />
Grenzüberschreitung ist Programm bei Jonas. Er verweigert sich der Trennung von Philosophie<br />
und Naturwissenschaft und ist bemüht, beide in wechselseitige Beziehung zu setzen. Damit postuliert<br />
er, was ihm „naturphilosophisches“ Denken heißt. Biologie und metaphysische Spekulation<br />
werden ebenso aufeinander bezogen wie physikalische Daten auf ihre philosophische Dimension<br />
hin beleuchtet. Jonas läßt gar methodisch Diskursives und Mythisches sich gegenseitig spiegeln und<br />
„aufheben“. Es ist zu zeigen, daß jene methodische Grenzaufhebung Konsequenz des Inhalts seines<br />
Philosophierens ist. Denn im Zentrum des Denkens Jonas’ steht die Nivellierung vermeintlich<br />
sakrosankter Grenzziehungen. Das gilt sowohl <strong>für</strong> kosmologische Spekulationen wie <strong>für</strong> anthropologische<br />
und ethische Erwägungen, drei Aspekte, die grenzüberschreitend in ein eigentümliches<br />
Verhältnis gesetzt werden. Trotz der Popularität der ökologisch-orientierten Verantwortungs-<br />
Ethik, die Jonas entwickelt, wird kaum reflektiert, daß diese auf einem metaphysischen Entwurf<br />
beruht, innerhalb dessen die Nivellierung als selbstverständlich erachteter Grenzziehungen zentral<br />
ist: <strong>für</strong> Jonas ist u.a. der cartesianische Hiatus zwischen Geist und Materie unhaltbar; so postuliert<br />
er, daß es keinen qualitativen Sprung von Unbeseeltem zu Beseeltem geben kann, beide sind vielmehr<br />
miteinander vermittelbar, mithin ist „die Materie von Anbeginn schlafender Geist“. Allem<br />
Sein inhäriert eine „Innerlichkeit“ als protosubjektive Struktur, Bedingung der Möglichkeit von<br />
Bewußtsein und Leben überhaupt, dem gegenüber wir verantwortlich sind. Jenes Modell vorreflexiver<br />
Innerlichkeit begründet Jonas in dem philosophischen Mythos des kosmo-theogonischen<br />
„Weltabenteuers Gottes“, eines Absoluten vor und jenseits aller Limitabilität, das sich um der<br />
Freiheit seiner Schöpfung willen radikal der Endlichkeit übereignet; die Grenzen zwischen Schöpfer<br />
und Schöpfung, Gott und Mensch werden unscharf, der Mensch wird zum alleinigen Bewahrer<br />
der Schöpfung. ◆<br />
Dominik Perler ◆ Philosophische Gedankenexperimente im Mittelalter<br />
Ähnlich wie in der gegenwärtigen analytischen Philosophie wurden auch in der scholastischen<br />
Philosophie zahlreiche hypothetische Szenarien diskutiert, die nur vorgestellt und nicht empirisch<br />
beobachtet werden können. Es handelte sich dabei um reine Gedankenexperimente. Doch welche<br />
Funktion hatten sie? In welchen Kontexten wurden sie erörtert? Welcher argumentative Wert wurde<br />
ihnen zugeschrieben? Und wie verhielten sie sich zu empirischen Analysen, aber auch zu rein<br />
begrifflichen Analysen? Diesen Fragen geht der Vortrag nach, indem er sich auf drei ausgewählte<br />
Beispiele konzentriert: • Thomas von Aquins Beispiel der Menschenfresser, die am Jüngsten Tag<br />
auferstehen (Kontext der Debatte über personale Identität), • Johannes Duns Scotus’ Beispiel des<br />
als Wolf verkleideten Schafes, das Furcht auslöst (Kontext der Emotionsdebatte), • Wilhelm von<br />
Ockhams Beispiel des allmächtigen Gottes, der in den Erkenntnisprozess eingreift (Kontext der<br />
Erkenntnisdebatte). Es soll gezeigt werden, dass Gedankenexperimente in allen diesen Kontexten<br />
eine wichtige theoretische (und nicht bloß illustrierende) Funktion hatten: Theorien sollten mit<br />
Verweis auf fiktive Szenarien ausdifferenziert und verteidigt oder widerlegt werden. Gleichzeitig<br />
sollte getestet werden, wie Theorien mit „Grenzfällen“ umgehen können und wie sich diese Fälle<br />
auch ohne Rückgriff auf empirische Beobachtung erklären lassen. ◆<br />
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