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Johannes Röhl ◆ Was ist ein Mechanismus? Ontologische Anmerkungen zu einem<br />

zentralen Begriff der Wissenschaftsphilosophie der Biologie<br />

In der Philosophie der Biologie und anderer Wissenschaften komplexer Systeme wird neuerdings<br />

dem Begriff des Mechanismus eine zentrale Stellung eingeräumt. Da hier Naturgesetze als allgemeine<br />

Regularitäten kaum Anwendung finden, soll die Konzeption des Mechanismus deren explanative und<br />

einheitsstiftende Funktion übernehmen. Überdies soll ein solcher „neuer Mechanizismus“ tiefere<br />

Erklärungen <strong>für</strong> kausale Verknüpfungen liefern als bloße Regularitäten, indem deutlich wird, wie<br />

ein Phänomen durch das abgestimmte Zusammenwirken von Bestandteilen eines komplexen Systems<br />

regulär hervorgebracht wird. Ungeachtet der explanativen Vorteile dieser Strategie gibt es bei der<br />

ontologischen Analyse von Mechanismen Unklarheiten und Ambiguitäten. Einem „dualistischen“<br />

Ansatz, der Entitäten und Aktivitäten als zentrale Komponenten des Mechanismus annimmt, steht<br />

ein „monistischer“ gegenüber, der Entitäten und Interaktionen, d. h. direkte korrelativer Eigenschaftsänderungen<br />

dieser Entitäten, postuliert. Oft wird nicht transparent, welche ontologischen<br />

Kategorien mit „Entitäten“, „Aktivitäten“ und „Interaktionen“ gemeint sind und ob der Mechanismus<br />

als Ganzes selbst als ein Prozess oder als ein komplexes Einzelding aufgefasst werden soll.<br />

Ich werde eine Analyse der Bestandteile von Mechanismen mittels der ontologischen Kategorien<br />

(Veränderungs-)Prozess, Kontinuant (materielles Einzelding) und dispositionale Eigenschaft (eines<br />

Dings <strong>für</strong> einen spezifischen Prozess) vorschlagen und deren Zusammenspiel durch formale Relationen<br />

repräsentieren. Diese Einordnung in formale Kategorien trägt gegenüber der vorherrschenden<br />

intuitiven Bestimmung zur Klarheit bei. Weiterhin ist zu klären, ob der Mechanismus als Ganzes als<br />

ein komplexes Einzelding (System der Komponenten) oder als Disposition des Gesamtsystems (<strong>für</strong><br />

einen Prozess) oder als ein Prozesstyp aufgefasst werden soll. Mir scheint, dass die Auffassung als<br />

Prozess die primäre ist, aus der sich die anderen ableiten lassen. ◆<br />

Marc Rölli ◆ Interdisziplinäre Aspekte der Mensch-Maschine-Differenz<br />

Der Tagungsbeitrag zielt darauf ab, die Mensch-Maschine-Differenz historisch zu rekonstruieren<br />

und im Kontext der Bestimmung eines interdisziplinär ausgerichteten und aktuellen Philosophiebegriffs<br />

zu rekontextualisieren Wenn La Mettrie behauptet, dass der Mensch als Maschine betrachtet<br />

werden müsse, so formuliert er besonders drastisch, dass der Mensch als ein Gegenstand der<br />

Humanphysiologie gesehen werden muss. Wenn Kant behauptet, dass eine physiologische Anthropologie<br />

eine wissenschaftliche Unmöglichkeit darstellt, so beruft er sich nicht nur auf eine bestimmte<br />

Idee der Wissenschaftlichkeit, sondern auch auf einen philosophischen Begriff vom Menschen – und<br />

überhaupt auf einen organisationslogischen, nicht-mechanistischen Begriff vom Lebendigen. Dieser<br />

(exemplarische) Gegensatz materialistischer und idealistischer Auffassungen kann historisch auf seine<br />

interdisziplinäre Funktion hin analysiert werden. Maschinen bevölkern den mathematisierbaren Bereich<br />

der Naturforschung – während Menschen in einer von ihnen hervorgebrachten Kultur denken,<br />

fühlen und wollen. Bedient sich der materialistische Ansatz naturwissenschaftlicher Kenntnisse, um<br />

Aussagen über den Menschen zu treffen, so ist es im Kantischen Diskursuniversum die erkenntnistheoretische<br />

Reflexion, die im Wesentlichen die wissenschaftliche Stellung der Naturwissenschaften<br />

definiert. In beiden Fällen verhindert die implizite Hierarchie des Wissens eine (transparent organisierte)<br />

interdisziplinäre Forschungspraxis. Umgekehrt deformiert aber die Durchlässigkeit der<br />

Grenze (zwischen Menschen und Maschinen) die festen Konturen der Disziplinen. Meine Frage<br />

ist, ob die daraus resultierenden Legitimierungsschwierigkeiten des Wissenstransfers (z. B. im Sinne<br />

einer kognitions- oder neurowissenschaftlichen „Kolonialisierung“ der Anthropologie) durch die<br />

aktuellen Entwicklungen kultur- und sozialwissenschaftlicher Methoden der Wissenschafts- und<br />

Technikforschung kompensiert werden könnten. ◆<br />

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