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Jörg Noller ◆ Das Gefühl der Vernunft. Zur Grenzbestimmung und<br />

Grenzüberschreitung von Sinnlichkeit und Verstand in Kants Ethik<br />

Kant hat in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, vor allem aber in seiner Kritik der<br />

praktischen Vernunft eine Theorie des sittlichen Bewusstseins entwickelt, welche im Wesentlichen in<br />

einer tiefgreifenden Analyse des Verhältnisses von Sinnlichkeit und praktischer Vernunft besteht.<br />

Für Kant stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass ein Mensch nicht nur ein abstraktes Wissen von<br />

Moralität erlangen, sondern ebenso ein praktisch wirksames Handlungsinteresse entwickeln kann.<br />

Dieses moralische Interesse muss darin bestehen, dass der Mensch den möglichen Triebfedern seiner<br />

Handlung, sofern sie sinnlich sind, Widerstand leistet und nur derjenigen Triebfeder Eingang in<br />

seine Maxime verschafft, welche moralisch, d. h. vernünftig ist. Kant ist dabei der Ansicht, dass nur<br />

Gefühle eine moralische Triebfeder abgeben können, indem sie moralische Gründe affektiv besetzen<br />

und damit dem principium diiudicationis ein wirksames principium executionis an die Seite stellen. Dieses<br />

moralische Gefühl entdeckt Kant im „vernunftgewirkten“ Gefühl der Achtung. Im Begriff eines so<br />

gearteten Gefühls scheint Kant jedoch seine immer wieder betonte Trennung zwischen Sinnlichkeit<br />

und Vernunft aufzuheben. Während im Bereich der theoretischen Vernunft zum Zwecke objektiver<br />

Erkenntnis die Grenze zwischen Sinnlichkeit und Verstand konstitutiv ist und eine Grenzüberschreitung<br />

bzw. intellektuelle Anschauung in eine Dialektik mündet, besteht die Eigentümlichkeit<br />

des Bereichs der praktischen Vernunft also gerade darin, dass an einer einzigen Stelle – im Falle des<br />

moralischen Gefühls der Achtung – ein heikler Brückenschlag von Vernunft zu Sinnlichkeit stattfindet.<br />

Die Differenz ihrer spezifischen Grenzverhältnisse zur Sinnlichkeit unterscheidet demnach<br />

die theoretische von der praktischen Vernunft, wodurch sich Kants Vernunftkritik gleich als zweifach<br />

kritisch erweist. ◆<br />

Andreas Oberprantacher ◆ Flüchtiges Leben. Die Elastizität von Grenzräumen<br />

und die Krise der Menschenrechte<br />

Es ist wohl eine der entscheidenden Paradoxien, die den Beginn des 21. Jahrhunderts markieren,<br />

dass biologisch verwertbares Leben hoch im Kurs forschungspolitischer und ökonomischer<br />

Investitionen steht, während immer mehr Menschen an den Peripherien der internationalen<br />

Finanzmärkte in ihren sozialen und politischen Zusammenhängen einem <strong>für</strong> privilegierte Mittel-<br />

und Oberschichten unwahrscheinlichen Druck ausgesetzt sind. Die Prekarität menschlichen Lebens<br />

zeigt sich allerdings nicht erst dort, wo aufgrund finanzieller Spekulationen Millionen von<br />

Menschen oft das Wenige wieder verlieren, womit sie ihr Leben zu bestreiten und einzurichten<br />

versuchten – sie wird in dem Maße in unsere politische Ordnungen eingeschrieben, wie es sich<br />

diese zur Aufgabe machen, Grenzen zur Wahrung von exklusiver Normalität zu sichern. Dieser<br />

Vortrag setzt sich zum Ziel, ausgehend von dokumentierten Ereignissen an unseren (inner,- wie<br />

zwischenstaatlichen) Grenzen, die Spuren von Menschen auf der Flucht kritisch nachzuzeichnen,<br />

die sich laut den Analysen Hannah Arendts, aber auch Giorgio Agambens, in einem besonderen<br />

Zustand der Verlassenheit befinden, der auf rechtlicher Ebene mit einer allgemeinen Krise<br />

der Menschenrechte zu korrespondieren scheint, wie sie unter anderem von Costas Douzinas<br />

konstatiert wird. Für meine Überlegungen, die der Frage gelten werden, ob und, wenn ja, in<br />

welchem Maße Flüchtlinge überhaupt ein politisches Subjekt bilden, das Anspruch auf Rechte<br />

haben könnte, werden weiters die Arbeiten von Michel Foucault und Alain Badiou wichtig sein<br />

sowie jene von Eyal Weizman, der in seiner Analyse von Israels Architektur der Besatzung die<br />

These aufstellt, dass Grenzräume „elastische Gebiete“ seien, denen die Figur des staatenlosen<br />

Flüchtlings verpflichtet ist. ◆<br />

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