Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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nur ehrliche Leute. Da sagte ich unter herzlichem Lachen: „Nein, liebe Frau, es ist mir nichts gestohlen,<br />
sondern etwas gebracht worden: da haben sie Ihre 40 Gulden!“ Wie d<strong>an</strong>kte ich d<strong>an</strong>n meinem<br />
Gott!<br />
Mehrere Male nahm ich d<strong>an</strong>n meine Feder zur H<strong>an</strong>d, um <strong>an</strong> den reichen Herrn, der in der Nähe<br />
ein Gut hatte, zu schreiben <strong>und</strong> ihm für seine Gabe zu d<strong>an</strong>ken, aber meine Feder versagte mir immer<br />
ihren Dienst. So ließ ich es. Als ich meine liebe Braut heimgeführt <strong>und</strong> ein sorgenfreies Leben<br />
bekommen hatte, da fragte ich bei dem Herrn <strong>an</strong>, ob ich ihn mit meiner Frau besuchen dürfe? Die<br />
erste Frage, die er <strong>an</strong> mich richtete, war die: „Warum haben Sie mir nicht geschrieben?“ Und meine<br />
Gegenfrage war die: „Haben Sie mir die 40 Gulden in meinen Beutel gelegt?“ Da lachte er <strong>und</strong><br />
fragte wieder: „Warum haben Sie d<strong>an</strong>n nicht ged<strong>an</strong>kt?“ Ich erwiderte, weil ich nicht <strong>von</strong> seiner<br />
Güte, sondern <strong>von</strong> der H<strong>an</strong>d meines Gottes leben wollte.<br />
So ist Gott mir gnädig gewesen <strong>und</strong> hat mir oft auch äußerlich geholfen. Damals aber dachte ich<br />
den g<strong>an</strong>zen Tag <strong>an</strong> das Wort: „Sie zogen hinauf nach Jerusalem!“ <strong>und</strong> tröstete mich damit. So geht’s<br />
immer noch. Wenn aber der Palmsonntag kommt, d<strong>an</strong>n denke ich <strong>an</strong> diese Geschichte aus meiner<br />
Jugendzeit <strong>und</strong> d<strong>an</strong>ke Gott für all seine Gnade, Güte <strong>und</strong> Treue.“<br />
Am 4. Juni f<strong>an</strong>d K.’s feierliche Proomation in Utrecht statt; zugleich erhielt seine Braut, Fräulein<br />
Catherine Luise Engelbert aus Amsterdam, die ihm in schwerer Zeit, trotz aller Bemühungen ihrer<br />
Verw<strong>an</strong>dten, sie <strong>von</strong> K. zu trennen, die Treue gehalten hatte, endlich die Einwilligung ihrer Großmutter<br />
zur Verheiratung mit K., die am 30. Juli 1829 stattf<strong>an</strong>d. Die junge Frau, die ihre Eltern schon<br />
früh verloren hatte, verfügte über so viel Vermögen, daß sie mit ihrem M<strong>an</strong>n ohne Sorgen leben<br />
konnten. Am 26. April 1830 wurde ihm sein Sohn Gerhard geboren <strong>und</strong> <strong>von</strong> Professor Heringa in<br />
Gegenwart eines Zeugen aus der reformierten Gemeinde getauft. Groß blieb immer der Schmerz,<br />
daß K. kein Amt hatte, <strong>und</strong> eifrig seine Bemühungen, ein solches zu erl<strong>an</strong>gen. Vorbedingung dazu<br />
war, daß er Anschluß <strong>an</strong> eine Kirchengemeinschaft fände. Nichts lag ihm näher, als sie bei der reformierten<br />
Kirche seines Vaterl<strong>an</strong>des zu suchen. Schon in seiner frühsten Jugend hatte er unter dem religiösen<br />
Einfluß seiner gottesfürchtigen Großmutter gest<strong>an</strong>den, die eine durch <strong>und</strong> durch reformierte<br />
Frau war; als echter Vaterl<strong>an</strong>dsfre<strong>und</strong> hatte er die Bedeutung der reformierten Kirche für Holl<strong>an</strong>d<br />
schätzen gelernt <strong>und</strong> im Kreise seiner Fre<strong>und</strong>e die dreifältige Schnur: „Kirche, Vaterl<strong>an</strong>d <strong>und</strong> Or<strong>an</strong>ien“<br />
wert gehalten; als Theologe hatte er immer mehr Gelegenheit gef<strong>und</strong>en, die reformierte Lehre<br />
kennen zu lernen, <strong>und</strong> wenn ihm auch zeitlebens Luther unter allen Reformatoren am nächsten<br />
st<strong>an</strong>d, in Bezug auf die Lehre der Taufe, des Abendmahls, der Wiedergeburt <strong>und</strong> nicht zum mindesten<br />
der Erwählung stellte er sich je länger je mehr aus innerster Überzeugung auf die reformierte<br />
Seite. So konnte er mit gutem Gewissen <strong>an</strong> die reformierte Kirche seines Vaterl<strong>an</strong>des die Bitte richten,<br />
ihn als Mitglied in ihre Mitte aufzunehmen. Es gehörte zu dem tiefsten Leiden K.’s daß ihm<br />
diese Bitte, wie oft er sie auch wiederholte <strong>und</strong> begründete, aus nichtigen Gründen verweigert wurde.<br />
Vom Februar 1830 bis zum November 1832 erstreckten sich diese Verh<strong>an</strong>dlungen, die ihn körperlich<br />
<strong>und</strong> seelisch aufs tiefste <strong>an</strong>griffen, da sie mit einer völligen Ablehnung seines Gesuches endigten.<br />
„Wir müssen Ruhe in unserer Kirche haben, Ruhe müssen wir haben!“ rief ihm einer der<br />
einflußreichsten Männer zu. Es war die Grabesruhe des Rationalismus, die m<strong>an</strong> durch den Feuereifer<br />
des lebendig erweckten jungen Doktors bedroht glaubte, der keine Menschenfurcht k<strong>an</strong>nte, weil<br />
er Gott allein fürchtete.<br />
Wohl f<strong>an</strong>d K. im Kreise der Männer der Erweckung (des Reveil) eine Zeit l<strong>an</strong>g Anschluß <strong>und</strong><br />
eine gewisse Wirksamkeit durch Abhalten <strong>von</strong> Bibelst<strong>und</strong>en, aber auch sie verst<strong>an</strong>den ihn nicht ge-<br />
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