Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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Nun das übrige. Welch ein Monat! Ich will es Euch einmal erzählen, wenn Ihr bei uns seid.<br />
Psalm 22 hat uns gehalten, namentlich mich Armen, der unterdessen zu predigen hatte, aber nicht<br />
konnte <strong>und</strong> auch nicht wollte, so l<strong>an</strong>ge es bei mir nicht <strong>von</strong> neuem wahr gemacht wäre, was ich <strong>an</strong>deren<br />
zu predigen hatte. Durch den Glauben fielen die Mauern zu Jericho, nachdem sie sechs Tage<br />
– – – Diese sechs Tage habe ich buchstäblich durchgemacht. Das Ramshorn hat es get<strong>an</strong>. Daraus<br />
sind die l<strong>an</strong>gsam Gewalt ausübenden Töne des Brüllens des Rindes, das für unsere Sünden geschlachtet<br />
ist, hervorgeg<strong>an</strong>gen. Das Herz will mir noch oft vor Angst zerspringen, so wenig traue<br />
ich Didymus [Zweifler, Zwilling, Beiname des Thomas, Joh. 20,24] den wiederholt guten Nachrichten<br />
aus Vi<strong>an</strong>en. 65<br />
Hintennach vernehme ich <strong>von</strong> gar vielen, daß der Teufel mir diesen Alp nicht auf den Leib gewälzt,<br />
ohne daß <strong>an</strong> ihm deswegen Rache genommen ist; denn es haben sehr viele in allerlei Not gesteckt,<br />
gerade in diesem Monat <strong>und</strong> bedurften eben einer Einstärkung, welche außergewöhnlich sein<br />
mußte, damit sie Leute des Obsiegens blieben. Darum mußte es alles so kommen, alles <strong>von</strong> einer<br />
väterlichen H<strong>an</strong>d, aber es war oft höllenschwarz um uns her. Ein w<strong>und</strong>erbares Ding ist’s doch um<br />
die Gemeinschaft der Heiligen.<br />
Die liebe Frau Pastorin d<strong>an</strong>kt der lieben Professorin für alles Heitere <strong>und</strong> Angenehme, was uns<br />
aus ihren <strong>Briefe</strong>n entgegenströmt, <strong>und</strong> teilt mit, daß Frau Boissevain glücklich eines Knäbleins entb<strong>und</strong>en<br />
ist.<br />
Nun, dem treuen Heil<strong>an</strong>de befohlen, der uns alle unsere Sünden vergeben <strong>und</strong> seine Gerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> alles obendrein geschenkt hat. – Er sei mit Euch, <strong>und</strong> allen, die bei Euch um des Wortes<br />
willen aus- <strong>und</strong> eingehen! Wir <strong>und</strong> die Anna grüßen Euch aufs innigste.<br />
Eure Fre<strong>und</strong>e im Herrn <strong>Kohlbrügge</strong>.<br />
Elberfeld, den 28. November 1855.<br />
______<br />
72.<br />
Die Übersetzung des Maimonides <strong>von</strong> Azazel scheint zu bedeuten: Er ist entsendet worden <strong>und</strong><br />
ließ sich entsenden. Ist Azazel Participialform?<br />
Ich hoffe, daß ich Dich mit dieser Frage nicht quäle. Ich hätte gern, sobald wie es Dir möglich<br />
ist, Antwort; denn ich habe die englische Übersetzung der Predigt: „Das gnadenvolle Geheimnis des<br />
großen Versöhnungstages“ vor mir <strong>und</strong> möchte dieselbe gern gemäß Deiner Antwort berichtigen.<br />
Wie oft wünsche ich, ich hätte Dich <strong>an</strong> meiner Seite, wenn ich vor dem Frühstück die Polyglotte<br />
66 vor mir habe! Aber wie jauchze ich auf, indem ich mich besinne, daß Du Deine Pauline <strong>an</strong> Deiner<br />
Seite hast.<br />
Gestern ist Pastor Engels aus Nümbrecht als fünfter Prediger der hiesigen ev<strong>an</strong>gelisch-reformierten<br />
Gemeinde ohne weitere Wahl dem Presbyterium <strong>und</strong> den Repräsent<strong>an</strong>ten vorgeschlagen <strong>und</strong> sod<strong>an</strong>n<br />
gewählt worden. Pastor Schröder, Herr Meckel <strong>und</strong> Herr Butterweck opponierten <strong>und</strong> wollten,<br />
65 Gerhard K. hatte sich am 9. April mit Mathilde Henriette Beate Baronesse <strong>von</strong> Bode verlobt (siehe Anlage 11) <strong>und</strong><br />
war am 14. November getraut worden (siehe Anlage 15). Das junge Paar war nach Vi<strong>an</strong>en bei Utrecht gezogen. Dort<br />
brach bald die Kr<strong>an</strong>kheit bei Gerhard K. aus, welche Br. 72 u. 74 erwähnt. (Siehe die Anmerkung auf Seite 140.)<br />
66 Polyglotte ist eine Ausgabe der Bibel, in welcher verschiedene Übersetzungen derselben übersichtlich neben dem<br />
Gr<strong>und</strong>text <strong>an</strong>geordnet sind. K. besaß die Pariser Ausgabe <strong>von</strong> Le Jay, für die er sich zum bequemen Lesen der<br />
großen Bände in Folio ein eigenes, festes eichenes Lesepult hatte <strong>an</strong>fertigen lassen. Sie lag meistens auf diesem Pult<br />
aufgeschlagen <strong>und</strong> K. stattete ihr fast alle Morgen einen Besuch ab. (Siehe die Lebensskizze K.’s, M<strong>an</strong>uskript<br />
Elberfeld 1884, begonnen <strong>von</strong> <strong>Wichelhaus</strong> <strong>und</strong> ergänzt <strong>von</strong> Prof. Dr. Ed. Böhl, S. 38.)<br />
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