Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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Mein lieber Bruder!<br />
35.<br />
Unsern herzlichsten D<strong>an</strong>k für das Porträt unseres Gerhard. Sic omne tulisti punetum. [So hast Du<br />
alles bis zum letzten Punkt getragen.] Es wird mir lieb sein, ihn in effigie [im Abbild] vor mir zu haben,<br />
wenn ich ihn selber nicht mehr bei mir habe. Du k<strong>an</strong>nst denken, wie lieb es mir gewesen, diese<br />
Tage ihn noch genießen zu können. Er hat fleißig für mich geschrieben, was ich ihm diktiert habe<br />
<strong>von</strong> „Erläuternden <strong>und</strong> befestigenden Fragen <strong>und</strong> Antworten zu dem Heidelberger Katechismus“. Es<br />
geht uns darum, ihn in 2 oder 3 Jahren mit Ehren durch zu haben; alles übrige empfehlen wir dem<br />
Herrn, der wohl für ihn sorgen wird. Aus m<strong>an</strong>chem, was ich <strong>von</strong> ihm vernommen, sind wir Dir<br />
nebst Gott allen D<strong>an</strong>k schuldig, daß Du ihn erst auf Rheinsdorf <strong>und</strong> sod<strong>an</strong>n bei v. Krosigk untergebracht<br />
hast. Ob es nun besser für ihn sein wird, er bliebe dort noch länger, oder er verlasse das Gut<br />
mit Michaelis, wenn er ein besseres bekommen k<strong>an</strong>n, wo er noch etwas mehr lernt, k<strong>an</strong>nst Du besser<br />
beurteilen als wir. K<strong>an</strong>n er es besser haben, t<strong>an</strong>t mieux! [D<strong>an</strong>n um so besser.] Gerhard spricht<br />
<strong>von</strong> einem Gut Krüden, wo es ordentlicher hergehen soll, <strong>und</strong> er auch in die Baumschule kommen<br />
würde. Was sind das für Leute auf dem Gut? Es gehört dem Grafen Kammerherrn <strong>von</strong> Gogau. Du<br />
schreibst <strong>von</strong> Domänen. Es geht unserm Gerhard um encouragement. [Aufmunterung.] Er möchte<br />
so gern etwas verdienen <strong>und</strong> wären es auch nur 50 Taler. Ich habe ihn damit getröstet, daß viele Väter<br />
viel Geld geben würden, um ihre Söhne nur auf ein Gut plaziert zu bekommen, <strong>und</strong> es k<strong>an</strong>n ihnen<br />
nicht gelingen. Indessen würdige ich diese seine Gefühle, <strong>und</strong> Du wirst sie auch würdigen.<br />
Wäre so etwas für ihn aufzutreiben oder könnte <strong>von</strong> Krosigk sich mit Michaelis zu so etwas entschließen,<br />
so wäre das für Gerhards Entwicklung sehr erwünscht.<br />
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Die Zuhörerzahl nimmt nicht sehr stark, doch allmählich zu. Meine Predigten sollen in Deutschl<strong>an</strong>d,<br />
in Holl<strong>an</strong>d <strong>und</strong> nach Amerika <strong>und</strong> nach der Schweiz viel abgehen. Die K<strong>an</strong>zel ist bedeutend<br />
zurückgebaut <strong>und</strong> der Schalldeckel verkleinert worden. Über schlecht mich Verstehen ist gar keine<br />
Klage mehr als nur <strong>von</strong> denen, die mich zum ersten Male hören.<br />
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Ich litt vorige Woche viel <strong>an</strong> Schlaflosigkeit, die mich sehr herunterbrachte, wozu d<strong>an</strong>n die<br />
Kopfschmerzen kommen. Jetzt geht es besser. Dein Ohm v. d. Heydt auf der Aue starb in diesen Tagen<br />
<strong>an</strong> der Cholera.<br />
Dem treuen Heil<strong>an</strong>de befohlen, mein lieber Joh<strong>an</strong>nes.<br />
Dein <strong>Kohlbrügge</strong>.<br />
Elberfeld, den 12. März 1850.<br />
Lieber Bruder!<br />
______<br />
36.<br />
Gestern ging eine Jagdflinte <strong>und</strong> ein Kistchen Zigarren nebst einem Fäßchen Heringe <strong>an</strong> Dich für<br />
Gerhard fr<strong>an</strong>ko ab. – Morgen sende ich <strong>an</strong> Dich ein Kistchen mit allen H<strong>an</strong>dschriften unseres lieben,<br />
so plötzlich verstorbenen Meier. Die T<strong>an</strong>te hat sich mit den Verw<strong>an</strong>dten abgef<strong>und</strong>en. Sie gab<br />
mir Freiheit, nach Belieben mit Meiers Sachen zu verfahren, die er bereits hierhin geschickt hatte.<br />
Das ging aber nicht gut. So hat denn meine liebe Frau heute alles einpacken lassen. Ein einziger Gegenst<strong>an</strong>d,<br />
welcher meiner Frau gefiel, hatte auch Wert in den Augen seiner lieben T<strong>an</strong>te, <strong>und</strong> so<br />
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