Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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über die Elenden erbarmt, sondern sich mit dem bemüht, was seines Amtes nicht ist! Der Gott aller<br />
Gnade sei mit Dir, mein teures Kind!<br />
Dein Papa.<br />
______<br />
30.<br />
Mein lieber Joh<strong>an</strong>nes! Heute ist Himmelfahrtstag. Ich komme soeben aus der Abendpredigt. Verg<strong>an</strong>gene<br />
Nacht ist der Sicherheitsausschuß in sich selbst zerfallen. Die Anführer oder Rädelsführer<br />
sind, ich weiß es nicht, wo. Die 800 B<strong>an</strong>diten, die in der Stadt terrorisierten, sind abmarschiert,<br />
ohne daß jem<strong>an</strong>d sie getrieben oder gejagt hat. Diesen Vormittag um 11 Uhr, als ich zu Deinem<br />
Ohm D<strong>an</strong>iel ging, waren alle Barrikaden wie weggefegt.<br />
Dein Ohm D. hat verg<strong>an</strong>gene Nacht viel gelitten. 50 Bewaffnete haben ihn mit gezogenen Säbeln<br />
in der Nacht 12 Uhr aus dem Hause aufs Rathaus vor den Komm<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten <strong>von</strong> Mirbach gebracht,<br />
der ihm sagte, er müsse sein Haupt haben zum Unterpf<strong>an</strong>d seines eigenen Hauptes. D<strong>an</strong>n hat m<strong>an</strong><br />
Deinen Ohm wieder abgeführt in eine Stube, welche <strong>von</strong> 50 bewaffneten, halb besoffenen B<strong>an</strong>diten<br />
erfüllt war. Gräßlich muß m<strong>an</strong> ihn da zwei St<strong>und</strong>en hinterein<strong>an</strong>der gescholten haben. Endlich ist er<br />
doch, kein Mensch weiß wie, aus dem Rathause entkommen. Da ist m<strong>an</strong> ihm noch mit Säbeln nachgewesen<br />
<strong>und</strong> hat ihn steinigen wollen. Da er nach Hause kam, s<strong>an</strong>k er ohnmächtig nieder.<br />
Heute Vormittag waren er <strong>und</strong> seine Frau <strong>und</strong> Kinder doch alle beruhigt, <strong>und</strong> diesen Abend waren<br />
wir alle in der Kirche. Kein Haupt fehlte. Es ist bis auf diese St<strong>und</strong>e kein Militär gesehen worden.<br />
Ist das nicht eine alttestamentliche Errettung?<br />
Dieses Schreiben teilst Du ja unserm lieben Gerhard mit. Wir erwarten also den lieben Bruder<br />
Meier zu Pfingsten. Will er mich nicht im voraus wissen lassen, welchen Text er für die Abendpredigt<br />
sich gewählt hat? Den darauffolgenden Sonntag ist eine Vormittagspredigt genug. Gott befohlen,<br />
mein lieber Joh<strong>an</strong>nes, mein lieber Gerhard, mein lieber Bruder Meier! Wir grüßen Euch alle<br />
aufs herzlichste. Hast doch meinen Brief <strong>von</strong> vorgestern erhalten?<br />
Euer <strong>Kohlbrügge</strong>.<br />
Elberfeld (Datum des Poststempels), 18. Mai 1849.<br />
Anm.: Zu den <strong>Briefe</strong>n 29 <strong>und</strong> 30 gibt Zahn im „Großvater“, ein Lebensbild, gezeichnet <strong>von</strong> A. Z., Stuttgart,<br />
1881. M<strong>an</strong>uskript, aber auch den Universitätsbibliotheken geschenkt <strong>und</strong> durch diese zu erhalten, Seite 72-78,<br />
eine genauere lesenswerte Beschreibung. Auch Nr. 85 der holländischen <strong>Briefe</strong> K.’s fügt einige bemerkenswerte<br />
Züge zu obiger Darstellung hinzu. Wir lassen sie hier folgen:<br />
Nymwegen, den 1. Juni 1849.<br />
– – – Welch eine w<strong>und</strong>erbare Erlösung haben wir in Elberfeld erlebt! Ein Gemeindeglied sagte<br />
am Dienstag zu mir: „Herr Pastor, wir kommen Donnerstag, am Himmelfahrtstag, wieder zusammen<br />
<strong>und</strong> singen dem Herrn Psalmen des Lobes <strong>und</strong> der Befreiung“. Ein <strong>an</strong>derer sagte: „Der Herr ist<br />
gnädig, das habe ich gehört, <strong>und</strong> Elberfeld wird erlöst, nicht durch Militärmacht, nicht durch eine<br />
menschliche H<strong>an</strong>d; Gott allein soll die Ehre da<strong>von</strong> haben; Sie werden es sehn, Herr Pastor“. So ist<br />
es auch gekommen. In zwei Minuten <strong>von</strong> Mittwoch auf Donnerstag nahm alles eine Wendung; die<br />
Haupt<strong>an</strong>führer ergriffen das Hasenp<strong>an</strong>ier, ohne daß jem<strong>an</strong>d sie jagte <strong>und</strong> die 800 wüsten Menschen<br />
zogen in zwei Haufen ab, ohne daß jem<strong>an</strong>d sie trieb; <strong>und</strong> bereits in der Frühe waren die 180 Barrikaden<br />
bis auf die beiden größten verschw<strong>und</strong>en. D<strong>an</strong>iel <strong>von</strong> der Heydt ist 8 Tage <strong>und</strong> Nächte durch<br />
6 B<strong>an</strong>diten in seinem Hause beaufsichtigt worden. M<strong>an</strong> hatte die Absicht, ihn tot zu schießen, sobald<br />
nur ein Soldat in die Stadt kam! In der entscheidenden Nacht ist er durch 50 B<strong>an</strong>diten, alle be-<br />
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