Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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Es geht allen Lieben in Elberfeld recht wohl. Deine Großmutter hat sich gefreut, daß sie den N.<br />
N. wieder gesehen hat. Deine Promotions<strong>an</strong>kündigung ist bei Deinem Ohm D<strong>an</strong>iel <strong>an</strong> der Stubenw<strong>an</strong>d<br />
<strong>an</strong>geklebt worden. Wir erhielten heute ein recht treues <strong>und</strong> liebes Schreiben <strong>von</strong> Deiner<br />
Schwester Maria. Deine liebe Mutter hat, nachdem meine Frau ihr m<strong>an</strong>ches <strong>von</strong> hier mitgeteilt, für<br />
uns die Feder ergriffen <strong>und</strong> <strong>an</strong> Dr. Snethlage geschrieben. Es scheint mir aus allem hervorzugehen,<br />
daß m<strong>an</strong> das Benehmen des Presbyteriums, besonders der Prediger, in Berlin nicht billigen wird,<br />
was auch kein redlicher <strong>und</strong> biederer Mensch tun k<strong>an</strong>n. Was mir aber auch nicht gefällt, ist, daß<br />
m<strong>an</strong> wirklich meint, ich lasse mich durch den Einfluß Deiner Ohms binden. Indes wenn allein die<br />
Furcht vor dem Namen <strong>von</strong> der Heydt, <strong>und</strong> nicht die Furcht Gottes die Leute beseelt, so ist es gut<br />
für mich, daß sie doch wenigstens noch vor etwas Furcht haben. Ich habe mich sofort nach meiner<br />
Aufnahme <strong>von</strong> den hiesigen Predigern zurückgezogen der ungerechten <strong>und</strong> lieblosen Zumutung wegen,<br />
daß ich die in die Wüste stoßen sollte, für welche ich hierher gekommen bin. Sol<strong>an</strong>ge ich nicht<br />
aufgenommen war, hatte m<strong>an</strong> Herz <strong>und</strong> Ohr für Wiedervereinigung <strong>und</strong> für die Aus-dem-Wege-Räumung<br />
der Hindernisse, dr<strong>an</strong>g auch mit solchen Vorstellungen auf mich ein. Mit Vorbehalt<br />
<strong>von</strong> Agende <strong>und</strong> Kirchenordnung, sagte Ball, sollte ich mich aufnehmen lassen, sie wollten sich <strong>von</strong><br />
dem Synodalverb<strong>an</strong>de losreißen usw. Sie hätten gesündigt, aus Menschenfurcht nachgegeben. So<br />
wie ich aufgenommen war, wendete sich das Blatt. Ich hätte Dir noch so vieles derartiges mitzuteilen,<br />
es geht aber nicht alles in einem Brief. Ich sitze hier übrigens seit 8 Tagen so wohlgemut, wie<br />
Du mich in Utrecht sahst, <strong>und</strong> fühle glücklich in meinem Herzen gegen keinen Menschen etwas.<br />
Gegen so viele Heuchelei bin ich aber nicht aufgewachsen. Gott tröstet uns indes reichlich.<br />
Der treue L<strong>an</strong>gen besucht uns um die dritte Woche. Voswinkel war ein halbes Stündchen hier, logierte<br />
bei Pastor Josephson, predigte in Wichlinghausen <strong>und</strong> ist daselbst berufen.<br />
Alle gedenken Deiner in herzlichster Liebe. Nun, Du sollst viele, viele herzlichen Grüße <strong>von</strong><br />
meiner lieben Frau <strong>und</strong> <strong>von</strong> Annchen haben. Gott gebe Dir tagtäglich Mut zum fleißigen Studieren.<br />
Werde mir erst ein klassischer M<strong>an</strong>n <strong>und</strong> bleibe sol<strong>an</strong>ge mit der Wahrheit sparsam. Sei der Gnade<br />
unsers treuen Gottes befohlen! – Dein lieber Vater konnte wohl sagen daß wir hier auf ein stürmisches<br />
Meer kommen würden. Fast alles denkt hier <strong>an</strong> sich selbst, <strong>und</strong> es hat den Schein, als denke<br />
jeder nur <strong>an</strong> Gott. – Ich umarme Dich mein lieber, lieber Joh<strong>an</strong>nes in der Gemeinschaft Jesu, der<br />
kommen wird <strong>und</strong> uns erlösen <strong>von</strong> allem Übel, auch aushelfen, auch bewahren zu seinem himmlischen<br />
Reiche. – Die Gnade mit Dir! Der Herr Jesus mit Deinem Geiste! –<br />
Dein Dich zärtlich liebender <strong>Kohlbrügge</strong>.<br />
Elberfeld, 15. Dezember 1846.<br />
Mein lieber Joh<strong>an</strong>nes!<br />
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Friede Dir <strong>und</strong> Gnade! Du hast mich hoch erfreut mit Deinem Schreiben vom 1. J<strong>an</strong>uar, mich<br />
auch sehr gestärkt. Es verhält sich alles wirklich so, wie Du schreibst. Eigenartig sind doch die Führungen<br />
Gottes mit einem Menschen <strong>von</strong> Jugend auf! Mein braver Katechesiermeister ließ mich einmal<br />
Phil. 3 auswendig lernen. Es machte einen außergewöhnlichen Eindruck auf mich. Es war mir,<br />
als ob ich alles verst<strong>an</strong>d, so jung ich auch war, <strong>und</strong> so oft ich <strong>an</strong> Vers 18 <strong>und</strong> 19 kam, war es mir, als<br />
sähe ich ein g<strong>an</strong>zes Heer wider mich, <strong>und</strong> als ob meine schwachen Arme <strong>von</strong> einer fremden Kraft<br />
aus der Höhe <strong>von</strong> der Schulter herab, durchströmt würden. Wie liegt doch unsere g<strong>an</strong>ze Biographie<br />
in diesem Kapitel! Wie habe ich gelacht bei Deinem Worte „Kellerloch“. So ist es. Ich k<strong>an</strong>n mich<br />
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