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Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht

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[ein theologisches Seminar der reformierten Kirche], das wäre etwas notwendiges; mitten in der Gemeinde<br />

lernt m<strong>an</strong> am besten predigen <strong>und</strong> katechisieren. Herzliche Grüße <strong>an</strong> die Nachbarn! Vielen<br />

D<strong>an</strong>k <strong>an</strong> Künzli für Brief <strong>und</strong> Predigt!<br />

Halle, den 20. Dezember 1857.<br />

Lieber, teurer Herr Pastor!<br />

______<br />

Anlage 22 zu Brief 79.<br />

Einen Augenblick verlasse ich meinen armen, kr<strong>an</strong>ken Joh<strong>an</strong>nes um Sie zu bitten, ihn doch mit<br />

einigen Zeilen Ihrer lieben H<strong>an</strong>d zu erfreuen, da Sie ihn nicht selbst besuchen können Vornehmlich<br />

aber, daß Sie, teurer Herr Pastor, sich mit uns vereinigen, zu Gott zu rufen, daß die Besserung nahe<br />

sein möge. Wir rufen <strong>und</strong> harren <strong>von</strong> einem Tage zum <strong>an</strong>dern, <strong>von</strong> einer Nacht zur <strong>an</strong>deren, <strong>und</strong> die<br />

Hilfe bleibt aus. M<strong>an</strong>che heiße Träne wird geweint, aber um Trost ist dem armen, elenden M<strong>an</strong>ne<br />

b<strong>an</strong>ge, der ihm sonst so oft die Tage der Schmerzen erleichterte. Als ich vor einigen Abenden Ps.<br />

130 aus dem Ges<strong>an</strong>gbuch vorlas, sagte er: „Das ist g<strong>an</strong>z aus meiner Seele herausgesprochen“. – Bis<br />

vor etwa vier Wochen hatte es ziemlich gut geg<strong>an</strong>gen. Da bekam er eine Zahngeschwulst, welche<br />

einige Tage die Arbeit unterbrach, <strong>und</strong> d<strong>an</strong>n aufgeschnitten wurde. Vor drei Wochen fing er montags<br />

wieder <strong>an</strong> <strong>und</strong> las die Woche durch, aber unter fortwährenden Kopfschmerzen im Genick <strong>und</strong> sehr<br />

hitzigen, schlaflosen Nächten. Der Arzt sagte, es sei die Grippe mit dabei, welche sich in der ihm eigentümlichen<br />

Art äußere. Natürlich hörte die Arbeit nun <strong>von</strong> selbst auf <strong>und</strong> Joh<strong>an</strong>nes zeigte gleich<br />

<strong>an</strong>, daß er erst nach Neujahr wieder zu beginnen gedenke. So geht es nun seit 14 Tagen wiederum<br />

fort. Keinen oder höchstens sehr unruhigen Schlaf. Das sp<strong>an</strong>nt die Nerven sehr ab. Der Arzt, welcher<br />

seit zehn Jahren ihn beh<strong>an</strong>delt hat <strong>und</strong> g<strong>an</strong>z aufmerksam ist, sagt, es sei die Grippe, welche<br />

einen nervösen Charakter <strong>an</strong>genommen habe, es würde bald wieder ablaufen. Es ist eine große<br />

Traurigkeit mit diesem Zust<strong>an</strong>de verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> er ist sehr weich, weshalb ich alles vermeide <strong>und</strong><br />

ihn mit Besuchen <strong>und</strong> <strong>Briefe</strong>n verschone, wie ich k<strong>an</strong>n. Heute früh, nach einer g<strong>an</strong>z schlaflosen<br />

Nacht, w<strong>an</strong>delte ihn eine Ohnmacht <strong>an</strong>, die ein paar St<strong>und</strong>en <strong>an</strong>hielt. Der Arzt war bei ihm, <strong>und</strong> da<br />

es augenblicklich etwas besser ist, hatte er doch den Wunsch, daß ich Ihnen, lieber Herr Pastor, mitteilen<br />

möchte, wie es uns geht. Das ist aber entschieden: wenn Joh<strong>an</strong>nes in einigen Wochen nicht<br />

g<strong>an</strong>z gekräftigt ist, so folgt er dem gutgemeinten Wunsch seines Vaters, die Vorlesungen für diesen<br />

Winter auszusetzen, was am Ende auch so große Schwierigkeiten nicht haben würde, da die sieben<br />

Studenten im Privatkolleg lauter gutwillige Leute sind.<br />

Ach lieber Herr Pastor, wenn ich meinen armen M<strong>an</strong>n oft so wimmern <strong>und</strong> jammern hörte, <strong>und</strong><br />

wir mitein<strong>an</strong>der zu Gott schrieen, hieß es wohl in mir, <strong>und</strong> ich klammerte mich dar<strong>an</strong>: „Als dieser<br />

Elende rief, hörete der Herr <strong>und</strong> half ihm aus seinen Nöten“, aber dunkel bleibt es, <strong>und</strong> nur einer<br />

k<strong>an</strong>n das <strong>Licht</strong> scheinen lassen in die Finsternis, <strong>und</strong> Sie wissen es, wie es einem m<strong>an</strong>chmal zu<br />

Mute sein k<strong>an</strong>n; deshalb habe ich Ihnen auch so ausführlich geschrieben.<br />

Vorhin kam ein Brief <strong>von</strong> Herrn Schrey, der bittet, einen Ersatz für Künzli zu schicken. Ja, wenn<br />

das in unserer Macht stände! Wir möchten auch wohl wissen, wie es Hesse zu Mute ist. Ich klopfte<br />

neulich <strong>von</strong> weitem bei Ad. Zahn <strong>an</strong>. Der sagte, er würde d<strong>an</strong>n sofort aus der Reihe der preußischen<br />

K<strong>an</strong>didaten ausgestrichen werden, <strong>und</strong> dazu hätte er keine Freudigkeit. Für den Augenblick k<strong>an</strong>n<br />

Joh<strong>an</strong>nes mit niem<strong>an</strong>d reden. Bei dem alten <strong>und</strong> jungen Zahn ist sonst das Wort doch nicht vergeblich;<br />

ich will nicht vorgreifen, um mit Zahn nochmals zu reden. Ostern, so sagt er wiederholt, denke<br />

er in Elberfeld zuzubringen. Könnten Sie bis dahin warten <strong>und</strong> wäre er erst da, so wären vielleicht<br />

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