Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Burtscheid, den 20. August 1855.<br />
Lieber Herr Pastor!<br />
Anlage 12 zu Brief 69.<br />
„Wenn der Herr kommt, Zion zu erlösen, d<strong>an</strong>n sind wir wie die Träumenden.“ Das Wort sehe ich<br />
<strong>an</strong> meiner lieben Pauline <strong>und</strong> mir erfüllt. Welch eine stille Anhauchung des Friedens aus Gott, wenn<br />
wir selbst g<strong>an</strong>z <strong>und</strong> gar bei Seite gesetzt sind, auch nicht einmal etwas zu denken <strong>und</strong> zu sagen wissen,<br />
es aber nicht leugnen können: „Das hat Gott get<strong>an</strong>!“ O wie w<strong>und</strong>erbar sind deine Werke <strong>und</strong><br />
deine Wege <strong>an</strong> Menschenkindern! Welche Gnade, welche L<strong>an</strong>gmut <strong>und</strong> Weisheit womit er, der seine<br />
Lust hat, sich aus Gefäßen aller Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Unreinigkeit Gefäße seiner Erbarmung zu<br />
seinem Ruhme zu bereiten, – womit er aus dem Verderben zu sich herumholt, womit er züchtigt <strong>und</strong><br />
kasteit, schmelzt <strong>und</strong> läutert, zu sich lockt <strong>und</strong> <strong>an</strong> sich bindet, <strong>und</strong> auch den verkehrtesten, g<strong>an</strong>z irdisch<br />
gesinnten <strong>und</strong> toten Menschen hinübersetzt in das w<strong>und</strong>erbare <strong>Licht</strong> der Herrlichkeit seiner<br />
Gnade <strong>und</strong> seines Heils.<br />
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –<br />
Als ich nach Bonn <strong>und</strong> Godesberg kam, hatte mein Vater mehreren Verw<strong>an</strong>dten bereits selbst die<br />
Anzeige meiner bevorstehenden Verlobung gemacht. Auch war es mir lieb, meines Vaters wegen,<br />
daß ich in den letzten Tagen in Halle sehr <strong>an</strong>erkennende Schreiben <strong>von</strong> dem Minister <strong>und</strong> dem Direktor<br />
des Unterrichts über mein Buch [Kommentar zur Leidensgeschichte] empf<strong>an</strong>gen hatte, da<br />
mein Vater gar kein Vertrauen fassen k<strong>an</strong>n, daß ich durchdringen <strong>und</strong> zu Brot kommen werde. Ich<br />
hoffe, es wird sich bald mit dem Gehalt machen.<br />
Hier in Aachen wurde ich Freitag Mittag <strong>von</strong> meinem lieben Schwager Konrad am Bahnhof<br />
empf<strong>an</strong>gen <strong>und</strong> in das elterliche Haus geführt. Ich war überrascht, daß Pauline <strong>und</strong> ich alsbald uns<br />
so g<strong>an</strong>z k<strong>an</strong>nten <strong>und</strong> ein<strong>an</strong>der <strong>an</strong>gehörig fühlten. Ich k<strong>an</strong>n es nicht <strong>an</strong>ders als eine heilige Stimmung<br />
nennen, die mir in diesen Tagen aus Pauline entgegengetreten ist, <strong>und</strong> der verborgene Mensch des<br />
Herzens ist herrlich geschmückt <strong>und</strong> geziert. „Er hat große Dinge <strong>an</strong> meiner Seele get<strong>an</strong>“ – das ist<br />
der Ton, der allem zu Gr<strong>und</strong>e liegt.<br />
Große Freude habe ich auch <strong>an</strong> Konrad <strong>und</strong> Malchen, die ich noch garnicht k<strong>an</strong>nte, <strong>und</strong> ich fühlte<br />
mich g<strong>an</strong>z heimisch in dem Geschwisterkreis.<br />
Ende dieser Woche denke ich nach Bonn zurück zu gehn; Pauline wird mir d<strong>an</strong>n wohl bald nachfolgen,<br />
<strong>und</strong> wir kommen d<strong>an</strong>n zusammen zu einem Besuch nach Elberfeld. In Betreff der Trauung<br />
wollte es mir <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs schwer werden, Ihnen beizustimmen; 83 es knüpfen sich nun einmal <strong>an</strong> Person<br />
<strong>und</strong> Ort gar zu viele Dinge; es ist mir aber nach <strong>und</strong> nach klarer geworden, was wir vor allem im<br />
Auge zu halten haben. Der Teufel will Gott nicht die Ehre haben lassen <strong>von</strong> seinem Werk, daß er<br />
M<strong>an</strong>n <strong>und</strong> Weib zusammengeführt <strong>und</strong> in der Wiederherstellung einen heiligen, lieblichen <strong>und</strong><br />
wahrhaftigen Eheb<strong>und</strong> dargestellt hat. Dagegen will Gott den Teufel, die Welt <strong>und</strong> unser eigenes<br />
blindes, verkehrtes <strong>und</strong> ungläubiges Herz beschämen, daß er es wahrlich gut <strong>und</strong> herrlich macht,<br />
<strong>und</strong> daß sein Werk vollkommen ist. Rufen Sie mit mir zu Gott, daß er es uns gebe, da zu stehen <strong>und</strong><br />
zu pr<strong>an</strong>gen in seiner Güte <strong>und</strong> Gnade <strong>und</strong> das Böse zu überwinden mit Gutem <strong>und</strong> das Sichtbare<br />
Lügen zu strafen durch die alleinige Wahrheit des Unsichtbaren <strong>und</strong> Ewigen.<br />
Bei Zahns war ich noch am letzten Abend vor meiner Abreise. Sie teilten mir Ihren Brief mit,<br />
<strong>und</strong> namentlich der Vater war in einer sehr wohltuenden Stimmung.<br />
83 W. wünschte in Elberfeld durch K. getraut zu werden. Dieser aber riet, die Trauung in Burtscheid, der Heimat der<br />
Braut, durch den Vater <strong>von</strong> <strong>Wichelhaus</strong> vornehmen zu lassen, was auch geschah.<br />
144