Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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geren Eindruck auf seine Zuhörer, denn damals wurde im Tal die Frage nach der <strong>Recht</strong>fertigung <strong>und</strong><br />
Heiligung <strong>und</strong> ihrem Verhältnis zuein<strong>an</strong>der lebhaft hin <strong>und</strong> her erwogen, <strong>und</strong> allerlei Lehren, vor allem<br />
über die Heiligung des Menschen, die Sündlosigkeit des Wiedergeborenen, die Stufen in der<br />
Heiligung, wurden vorgetragen <strong>und</strong> besprochen. Es folgte d<strong>an</strong>n noch am 11. November eine Predigt<br />
über Röm. 1, Vs. 17: „Der Gerechte aus Glauben wird leben“, <strong>und</strong> am 18. November eine solche<br />
über Röm. 3, Vs. 31: „Wie? heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! sondern<br />
wir richten das Gesetz auf“.<br />
Diese Zeit in Elberfeld ist für K. selbst <strong>von</strong> der größten Bedeutung geworden. Hier hat er in heißen<br />
inneren <strong>und</strong> äußeren Kämpfen eine tiefere, Erfahrung da<strong>von</strong> gemacht, daß der Mensch, auch<br />
der Wiedergeborene in sich selbst nichts ist, Gott alles. Ein helles <strong>Licht</strong> ging ihm weiter über das<br />
Wort Pauli im 1. Korintherbrief, Kap. 1, Vs. 30, auf: „Christus Jesus ist uns <strong>von</strong> Gott gemacht zur<br />
Weisheit <strong>und</strong> zur Gerechtigkeit <strong>und</strong> zur Heiligung <strong>und</strong> zur Erlösung“. „Alles in Christo“ wurde nun<br />
noch klarer seine Losung. Im Blick auf das Lamm hört er die Worte: „So wie du bist, bist du mir<br />
heilig. Nichts da<strong>von</strong>, nichts dazu! Abgest<strong>an</strong>den <strong>von</strong> allem Eigenen! Imm<strong>an</strong>uel! Du Aussätziger bist<br />
rein! Du hast den alten Menschen abgelegt, dein alter Mensch ist mitgekreuzigt, du hast den neuen<br />
Menschen <strong>an</strong>get<strong>an</strong>“. Damals hat K. das Gelübde abgelegt, alle, die es würden hören wollen, zu lehren<br />
<strong>und</strong> es ihnen zu verkündigen, daß der Herr Gottlose rechtfertigt, daß Jesus, der im Fleisch Gekommene,<br />
der einige Gesalbte ist.<br />
Die Predigten K.’s in jenen Monaten haben viele mächtig ergriffen, lebendig gemacht oder getröstet.<br />
Andere dagegen haben sich <strong>an</strong> ihnen geärgert, sie verworfen <strong>und</strong> den, der sie aussprach, bald<br />
der Vollkommenheitstreiberei (Perfektionismus) bald der Gesetzesverwerfung (Antinomismus) beschuldigt<br />
<strong>und</strong> Feindschaft, ja Verfolgung wider ihn ver<strong>an</strong>laßt.<br />
Hatte so die Predigt K.’s Widerspruch hervorgerufen, so kam derselbe d<strong>an</strong>n weiterhin noch <strong>von</strong><br />
einer <strong>an</strong>deren Seite.<br />
Der König Friedrich Wilhelm III. hatte aus Ver<strong>an</strong>lassung des bevorstehenden Reformationsjubiläums<br />
am 27. September 1817 eine Kabinetsordre erlassen, welche die Aufforderung aussprach, die<br />
Feier durch einen Anf<strong>an</strong>g zur Wiedervereinigung der Luther<strong>an</strong>er <strong>und</strong> Reformierten würdig zu begehen.<br />
Viele Kreise der ev. Kirche hatten ihm freudig zugestimmt, <strong>an</strong>dere aber ebenso entschieden<br />
sein Vorgehen beklagt. Auch in den reformierten wie lutherischen kirchlichen Kreisen des Wuppertals<br />
f<strong>an</strong>d die Absicht, eine Union beider Bekenntniskirchen herbei zu führen, lebhaften Widerspruch.<br />
Die Pastoren, so vor allem G. D. Krummacher, sprachen sich aufs entschiedenste gegen die<br />
Union <strong>und</strong> die mit ihr verb<strong>und</strong>ene vom Könige zur Einführung befohlene L<strong>an</strong>desagende aus; auch<br />
die Synoden protestierten dagegen, aber der König suchte seinen Willen durchzusetzen. Er s<strong>an</strong>dte<br />
den Bischof Roß als seinen Bevollmächtigten ins Rheinl<strong>an</strong>d, der mit den Absetzungsschematen<br />
drohte, die er schon in der Tasche habe. Viele beugten sich nun dem bevorstehenden Zw<strong>an</strong>g. Auch<br />
die Provinzial-Synode <strong>von</strong> Jülich-Cleve-Berg, zu der Elberfeld gehörte, nahm in ihrer Sitzung vom<br />
5.-11. Juni 1830 die Union <strong>und</strong> Agende <strong>an</strong>. Der Kampf um beide war grade zu der Zeit aufs Heftigste<br />
entbr<strong>an</strong>nt, als K. im Wuppertal war. Er konnte nach seinem Gewissen nicht <strong>an</strong>ders, als sich gegen<br />
Union <strong>und</strong> Agende aussprechen. „Gott könne dar<strong>an</strong> keinen Gefallen haben“, war seine Äußerung<br />
vor dem Konsistorium in Koblenz, das geneigt gewesen war, ihn nach einem theologischen<br />
Kolloquium unter die K<strong>an</strong>didaten der rheinischen Kirche aufzunehmen. Diese Äußerung wurde ihm<br />
verdacht <strong>und</strong> hat ohne Zweifel das Meiste dazu beigetragen, daß m<strong>an</strong> <strong>von</strong> oben her wünschte, K.<br />
möchte nicht festen Fuß im Wuppertal fassen.<br />
G<strong>an</strong>z unerwartet für K. <strong>und</strong> zum großen Schmerz für seine vielen Fre<strong>und</strong>e wurden plötzlich<br />
durch ein Rescript des Ministeriums Altenstein K. die K<strong>an</strong>zeln der Rheinprovinz verboten. Verge-<br />
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