Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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Halle, den 17. Mai 1851.<br />
Lieber Herr Pastor!<br />
Anlage 5 zu Brief 45.<br />
Die Katechismen werden Sie nun hoffentlich alle in gutem Zust<strong>an</strong>de erhalten haben. Der katechetische<br />
Unterricht, 81 den Sie mir zuletzt zuschickten, spricht mich außerordentlich <strong>an</strong>; namentlich<br />
die Lehre <strong>von</strong> der Genugtuung <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>fertigung finde ich so klar, einfach <strong>und</strong> überzeugend dargestellt,<br />
daß sie jedem einleuchten muß, dem es um Belehrung in den Dingen Gottes zu tun ist.<br />
Die Kollegien haben vor 14 Tagen wieder begonnen. Ich habe in den Psalmen 14-16 Zuhörer, im<br />
Jakobusbrief wohl eben so viel. Die Zahl hat sich gegen voriges Semester vermindert wie ich schon<br />
zum Schluß des Winters voraussah. Meine Stellung fängt aber <strong>an</strong> klarer <strong>und</strong> bestimmter zu werden.<br />
Es sind unter den Theologen hauptsächlich 3 Studentenverbindungen, welche den Ton <strong>an</strong>geben. Die<br />
erste gilt als die eigentlich christliche, wird <strong>von</strong> Tholuck stark begünstigt <strong>und</strong> geleitet <strong>und</strong> zählt 40-<br />
50 Studenten. Diese Verbindung hat mir Valet gegeben; sie wollen die Schriftautorität nicht gelten<br />
lassen, sondern finden Gottes Wort nur in der Schrift; sie behaupten, ich sei erbaulich <strong>und</strong> zu wenig<br />
wissenschaftlich. Sie hören demnach lieber bei einem Rationalisten, einem M<strong>an</strong>n <strong>von</strong> Namen, als<br />
bei mir. Indessen haben sie einen Stachel mitgenommen. Die 3. Verbindung ist ziemlich indifferent<br />
<strong>und</strong> lebelustig; auch sie hat mich verlassen. Dagegen hat die 2. Verbindung, welche meist Pommern<br />
<strong>und</strong> Westfalen zählt, sich für mich erklärt. Sie sagen: Der Tholuck will keine strengere Richtung<br />
aufkommen lassen, die Studenten des Wingolf (1. Verbindung) sind unklare Köpfe, deren erbauliches<br />
Geschwätz m<strong>an</strong> nicht <strong>an</strong>hören k<strong>an</strong>n <strong>und</strong> die doch keine erbaulichen Kollegien haben wollen.<br />
Diese Verbindung sieht demnach ihre Ehre darin, mich nicht im Stich zu lassen. Sie treiben viel Exegese,<br />
besonders Hebräisch, <strong>und</strong> namentlich sind die Führer der Verbindung klare Köpfe <strong>und</strong> frische<br />
Leute, welche dem Tholuck mit seinem Anh<strong>an</strong>g kühn die Spitze bieten. Ich habe fleißiges Bibelstudium,<br />
Autorität der Schrift <strong>und</strong> klare Fassung der Gr<strong>und</strong>lehren nach den reformatorischen Bekenntnisschriften<br />
auf meine Fahne geschrieben <strong>und</strong> habe nun wenigstens eine kleine Zahl, welche<br />
dieser Fahne folgt. Es ist mir lieb, daß sich einmal bestimmte Gegensätze bilden; Tholuck gegen die<br />
Bibelautorität, Müller gegen die Symbole, – <strong>und</strong> auf der <strong>an</strong>deren Seite: Biblia et Confessio Patrum<br />
[Die Bibel <strong>und</strong> die Bekenntnisse der Väter]. Ich bekam acht Tage hindurch eine sehr kriegerische<br />
Stimmung, so daß ich gerne eine Schrift losgelassen hätte „über die Autorität der heiligen Schrift“;<br />
ich weiß aber nicht, ob es schon <strong>an</strong> der Zeit ist; ich möchte gerne zuvor Professor sein.<br />
Ich kalkuliere inzwischen noch immer darüber, den rechten Ton für die Studenten zu treffen <strong>und</strong><br />
das Wort ihnen so zuzuschneiden, wie es für sie paßt. Ich hoffe, es wird mit der Zeit mehr <strong>und</strong> mehr<br />
sich finden. Wolfensberger (der Schweizer) meint, in der Genesis [Vorlesung über das erste Buch<br />
Mose] hätte ich es getroffen, in dem Kolleg über den Cultus mosaicus [Mosaischen Gottesdienst]<br />
sei aber das Glaubenselement schon zu stark für die Studenten. Ich muß da auf die Leitung Gottes<br />
<strong>und</strong> seines Geistes vertrauen <strong>und</strong> übrigens es so gut machen, als ich k<strong>an</strong>n.<br />
Ich freue mich nun schon auf den Besuch in den Herbstferien. Wolff schreibt mir, daß er Sonntag<br />
über acht Tage Hochzeit haben werde, L<strong>an</strong>gen nach Pfingsten. Wolffs Brief hat mir Freude gemacht,<br />
da das ernstere Gefühl der Unwürdigkeit <strong>und</strong> Geb<strong>und</strong>enheit in dem Sichtbaren <strong>und</strong> das Sichklammern<br />
<strong>an</strong> Gottes Gnadenwort wieder mehr durchbricht. L<strong>an</strong>gen scheint das Glück des Bräutigams<br />
mehr <strong>und</strong> mehr zu empfinden <strong>und</strong> dar<strong>an</strong> erwärmt zu werden; ich freue mich herzlich für ihn.<br />
Von Hause habe ich gute Nachrichten.<br />
81 Siehe Anmerkung 2 zu Brief 14.<br />
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