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Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht

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Mein lieber Joh<strong>an</strong>nes!<br />

15.<br />

Gnade, Barmherzigkeit <strong>und</strong> Friede Dir <strong>und</strong> Deinem getreuen Gefährten Meier 20 . Wir begleiteten<br />

Dich in unsern Ged<strong>an</strong>ken auf die Reise <strong>und</strong> sind beruhigt Deinetwegen durch Deine Mitteilungen,<br />

woraus wir ersehen, daß Du Dich frohen Mutes gürtest <strong>und</strong> gegürtet hast zu dem Beruf, zu welchem<br />

Du <strong>von</strong> Gott berufen bist, das Amt eines Doktors der Schrift zu treiben in demütigem Hinaufschauen<br />

zu dem, der allein uns zu allem tüchtig macht. Einliegend erhältst Du die mir <strong>an</strong>vertraute Korrespondenz<br />

wieder.<br />

Aus dem, was Du mir <strong>von</strong> einigen Studenten mitteilst ersehe ich, was ich auch in Utrecht f<strong>an</strong>d,<br />

daß bei den jungen Leuten durchgängig, wenn die Hypocrisie [Heuchelei], welche sie einsaugen, sie<br />

noch nicht unempfänglich gemacht hat für die Wahrheit, eine Redlichkeit <strong>und</strong> Biederkeit gef<strong>und</strong>en<br />

wird, welche einen trösten könnte, sähe m<strong>an</strong> nicht, daß die Liebe zum Sichtbaren sie bei allem dem<br />

mitschleppt. Indes der Säm<strong>an</strong>n, der in Gottes Namen sät, sät doch nie vergeblich.<br />

Ich k<strong>an</strong>n mir denken, wie es Dich muß niedergeschlagen haben, <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs so wenige Zuhörer vor<br />

Dir gesehen zu haben, <strong>und</strong> freue mich, daß sich dieses doch gebessert hat, auch daß m<strong>an</strong>che<br />

Schwierigkeit in Betreff der Vorlesungen so glücklich beseitigt ist. Ich möchte Dir raten, in der Folge<br />

um keinen Preis <strong>von</strong> dem, wie es die Studenten nun einmal gewohnt sind, abzugehen, <strong>und</strong> bei allem,<br />

was Du tust, zu suchen, sie für das Sprachliche, besonders das Hebräische <strong>und</strong> Syrische zu gewinnen.<br />

In der hebräischen Lesest<strong>und</strong>e könnte vielleicht ¼ St<strong>und</strong>e genommen werden, in der einer<br />

das Griechische Neue Testament <strong>und</strong> ein <strong>an</strong>derer sod<strong>an</strong>n denselben Abschnitt aus der hebräischen<br />

Übersetzung desselben lese. D<strong>an</strong>n sagen die jungen Leute: das ist leicht! <strong>und</strong> bekommen Mut, um<br />

<strong>von</strong> dem Bek<strong>an</strong>nten zu dem Unbek<strong>an</strong>nten, <strong>von</strong> dem Leichten zu dem Schweren überzugehen. Indem<br />

sie d<strong>an</strong>n im Gewissen wohl fühlen, will der Dozent das Gelesene versteht, geht bloß bei dem<br />

Lesen, – indem er hier <strong>und</strong> da eine kurze Antwort auf eine Frage oder eine hingeworfene Bemerkung<br />

gibt, dieses selbst in die Herzen hinein. Du könntest ihnen sod<strong>an</strong>n in gleicher Weise das Syrische<br />

beibringen. Schreibe es entweder mit großen Buchstaben hebräisch auf eine Tafel, oder die<br />

Studenten lernen erst die Buchstaben, <strong>und</strong> wenn sie d<strong>an</strong>n hebräisch lesen, liest Du ihnen das Syrische<br />

vor. Von der Offenbarung Joh<strong>an</strong>nis hast Du eine syrische Übersetzung mit syrischen <strong>und</strong> hebräischen<br />

Buchstaben in L. de Dieu, Critica sacra, Amsterdam, Gerard Borstius 1693. In Utrecht<br />

sind jetzt viele Studenten, die meine Predigten lesen <strong>und</strong> zusammenhalten. Der Gr<strong>und</strong> wurde dadurch<br />

gelegt, daß ich zweien Studenten riet, sie sollten sich eifrigst auf die morgenländischen Sprachen<br />

legen, <strong>und</strong> daß ich ihnen die Methode mitteilte, wie sie das treiben sollten. Mein Neffe der Baron<br />

de Geer, der sich sehr <strong>an</strong>hänglich zeigt, ist jetzt Professor juris geworden, treibt aber bei alledem<br />

Theologie <strong>und</strong> morgenländische Literatur.<br />

Ich habe den hämischen Artikel wider meine Schrift: „Wozu das Alte Testament?“ in dem Blatt<br />

zur allgemeinen Kirchenzeitung gelesen. Was mögen diejenigen wohl denken, die Guericke’s Rezension<br />

über meine Schrift damit vergleichen!<br />

Wie ich <strong>von</strong> aller Feindschaft wider mich nichts fühle, <strong>und</strong> es wahr ist, daß sie mir nicht <strong>an</strong> den<br />

Rock kommt, ich auch nicht begreifen k<strong>an</strong>n, daß mir jem<strong>an</strong>d feind sein k<strong>an</strong>n, <strong>und</strong> es auch mit ruhigem<br />

Herzen m<strong>an</strong>chem sage: „Ich habe keine Feinde“, so sei Du auch, mein lieber Joh<strong>an</strong>nes, geson-<br />

20 Der Lizentiat <strong>und</strong> Privatdocent der Theol. Georg August Meier aus Bremen kam am Abend nach dem<br />

Lizentiatenexamen W.’s (17. Oktober 1846) zu diesem auf seine Stube <strong>und</strong> fragte liebevoll nach seinem Befinden W.<br />

schüttete ihm in warmen Worten sein Herz aus <strong>und</strong> seitdem waren die beiden, die sich als Gesinnungsgenossen<br />

erk<strong>an</strong>nt hatten, die innigsten Fre<strong>und</strong>e (siehe Biblische Dogmatik <strong>von</strong> <strong>Wichelhaus</strong>, herausgegeben <strong>von</strong> Dr. A. Zahn.<br />

Vorrede Seite XXV).<br />

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