Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Mein teurer Bruder!<br />
______<br />
10.<br />
Dafür soll doch der Herr nach seiner Treue <strong>und</strong> Wahrheit gelobt sein, daß, als Ihre Arbeit fertig<br />
gewesen ist, er auch den M<strong>an</strong>n geschickt hat, der Sie dahin gewiesen hat, wo Sie Ihre Arbeit <strong>an</strong>brächten<br />
<strong>und</strong> Ihren Wirkungskreis fänden. 13 Wir sind mit Ihnen <strong>und</strong> Ihren Eltern hocherfreut. Und<br />
d<strong>an</strong>n brauche ich Ihnen nicht zu sagen, daß Sie sich froh <strong>und</strong> in guter Zuversicht auf den Weg machen.<br />
Sei es denn nun nicht Heidelberg, sondern Halle, das mir <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs auch mehr behagte, <strong>und</strong> das<br />
ich Ihnen allererst, wie ich meine, vorgeschlagen habe. Die Erde ist des Herrn <strong>und</strong> ihre Fülle. Wie<br />
g<strong>an</strong>z unerwartet <strong>und</strong> überraschend! So ist Gottes Tun immerdar. Nun, Mut, mein Teurer, <strong>und</strong> gestärkt<br />
im Herrn! Und sollte Sie beim Examen auch eine Einschüchterung überfallen, ne desperes.<br />
[verzage nicht!] Aus Halle schreiben Sie mir ein Näheres. Ich weiß, daß Sie unermüdet arbeiten,<br />
wenn Sie einmal eine Arbeit vor sich haben. Ich freue mich in Gott, daß Sie aus mehreren Schlingen,<br />
welche der Teufel Ihnen hätte legen können, da Sie so jacens [darniederliegend] waren, heraus<br />
genommen sind, – daß Sie die Gefahr der Gnosis nicht leicht achten, <strong>und</strong> daß Sie in Gott Mut gefaßt<br />
haben, wie dereinst D<strong>an</strong>iel. Beseitigen Sie bei sich jede Idee <strong>von</strong> „Etwas seinwollen“, <strong>von</strong><br />
„Zeugen <strong>und</strong> zeugen wollen“, <strong>und</strong> als ein Menschenkind sprechen Sie sich in Gott aus vor den<br />
Menschen, wie es Wahrheit in Christo ist, redlich, treuherzig, mit Vorsicht, liebevoll, aber unumw<strong>und</strong>en,<br />
nachdem es die Leute tragen oder fassen können, wie das unser Herr get<strong>an</strong> hat. Machen<br />
Sie sich selbst nichts Absonderliches weiß; nur daß Sie behalten, in wem wir geheiligt sind.<br />
Gerhard ist jetzt bei uns <strong>und</strong> befindet sich recht wohl. Jacobus wird mich nun bald verlassen; ich<br />
hoffe zu Gott, daß er auch dafür mir eine Türe aufschließe. Aber das ist für die Zukunft. Ich lebe<br />
heute in dem Willen Gottes <strong>und</strong> in dem, was Ihnen, meinem redlichen Joh<strong>an</strong>nes, Gutes widerfahren<br />
ist.<br />
Die Frau N. N. hat sich also den Tod gegeben! Schrecklich! Es sind schon mehr als zwei Jahre,<br />
daß sie es auf N. N. <strong>an</strong>gelegt hatte. Wir haben ihn gewarnt, wenn es uns damals auch übel genommen<br />
wurde. Da nun N. N. heiraten sollte, war es mit ihrer Hoffnung, ihn zu bekommen, vorbei, <strong>und</strong><br />
nun lieber sich in den Tod gegeben als abgest<strong>an</strong>den <strong>von</strong> dem, was nicht taugte. So verhält es sich.<br />
Den N. N. habe ich nach hier beschieden; ich will ihm eine Strafpredigt halten. Er will Gott vorschreiben,<br />
wie er ihn ernähren solle, <strong>und</strong> möchte gern gr<strong>an</strong>d Seigneur [ein großer Herr] sein. Alle<br />
solche verschrobene desperation [Verzweiflung] geht um das Ich, geht darum, den eigenen Willen<br />
durchzusetzen. Die arme Eusebia [Frömmigkeit] muß dabei die Larve sein.<br />
Der Gnade befohlen! Nil timendum Christo duce [nichts ist unter Christi Führung zu<br />
befürchten]. Aufs herzlichste <strong>von</strong> uns gegrüßt. Meine Grüße Ihren Eltern <strong>und</strong> Ihrer lieben Schwester.<br />
Ihr Sie liebender Bruder. H. F. <strong>Kohlbrügge</strong>.<br />
Utrecht, 18. Juni 1845.<br />
______<br />
13 Gemeint ist der Hofprediger Snethlage, der W. den Rat gegeben hatte, in Preußen zu bleiben <strong>und</strong> nach Halle zu<br />
gehen. (Siehe Akademische Vorlesungen über bibl. Dogmatik <strong>von</strong> <strong>Wichelhaus</strong>, herausgegeben <strong>von</strong> A. Zahn, Halle,<br />
Fricke, 2. Aufl., Seite XXIV: „Nein, der darf nicht ins Ausl<strong>an</strong>d (!) gehn, Preußen bedarf gerade solcher Männer“.)<br />
44