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Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht

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Dieses Eine weiß ich nur zu gut: Ich bin ein Mensch wie Sie, <strong>und</strong> Sie ein Mensch wie ich; welche<br />

Ideale m<strong>an</strong> hier <strong>von</strong> sich selbst oder <strong>von</strong> der Welt sich auch mache, das Ende ist Trug <strong>und</strong> Herzeleid,<br />

denn es erfährt ein jeglicher früher oder später, daß er ist, was die Vielen sind <strong>und</strong> daß die<br />

Welt, die er sich geschaffen hat, sich in der wirklichen <strong>und</strong> alltäglichen auflöst.<br />

Daß Sie sich aber in jener <strong>von</strong> Ihnen erwähnten Stellung zu Ihrer Umgebung <strong>und</strong> zu sich selbst<br />

befinden, hat unbedingt seine erste Ursache in Ihrer Stellung im Elternhaus, durch die Sie in der<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Reife der Jünglingsjahre mehr auf sich selbst <strong>an</strong>gewiesen waren; zweitens fügt<br />

Ihre Kränklichkeit <strong>und</strong> Nervosität m<strong>an</strong>ches dazu; im g<strong>an</strong>zen aber liegt es dar<strong>an</strong>, daß Sie nicht das:<br />

„Erkenne dich selbst“ beachten. Ich möchte auch noch sagen: Sie geben sich <strong>und</strong> mir ein quid pro<br />

quo, ein Erzählen dessen, was m<strong>an</strong> war <strong>und</strong> ist, tat <strong>und</strong> tut, um dadurch die Erzählung dessen zu<br />

umgehen, was m<strong>an</strong> eigentlich ist <strong>und</strong> im Herzen in sich umträgt.<br />

Mehr durch moralisches Gefühl als durch den Geist Gottes sind Sie durch schmerzliche Erfahrung<br />

dessen inne geworden, was im Menschen steckt. Ihre Einsicht <strong>von</strong> dem, was Begierde ist, ist<br />

mehr geschärft durch Verachtung Ihrer selbst, der Sie doch ein Geschöpf Gottes sind, als durch ein<br />

wahrhaft zerknirschtes Streben, dem Gesetz der Gerechtigkeit gemäß zu sein.<br />

Es sieht mit dem Geist des Menschen w<strong>und</strong>erlich aus. Mehr die Geschichte Helwinas <strong>und</strong> der<br />

Selbstliebe richtete Ihr Auge ins Ev<strong>an</strong>gelium als der Durst nach dem lebendigen Gott. Und da Ihnen<br />

dieser fehlte, wurden Sie so gleichgültig gegen die vom Fleisch immerdar als Gottes Wahrheit verehrten<br />

Irrtümer. Traun, soviel haben Sie gesehen, daß die Welt im Argen liegt; weil Sie aber das<br />

nicht haben, was Sie möchten <strong>und</strong> im Geheimen sich wünschen, ist Ihnen alles verwerflich, aus<br />

Gleichmut, nicht aus Liebe.<br />

So haben Sie mir eine meisterhafte Beschreibung der Antiapostolischen Kirche geben können,<br />

bei der mich nur Ihre Teilnahmlosigkeit befremden würde, – obwohl Sie nichts schreiben, was nicht<br />

wahr ist, – wenn ich nicht den Gr<strong>und</strong> sähe, aus dem dies alles herrührt. Will’s aber hierbei bewenden<br />

lassen, mein Teurer! Die Zeit erlaubt mir nicht mehr für dieses Mal. Wenn wir uns gegenseitig<br />

aussprechen, so wie wir es fühlen, d<strong>an</strong>n können wir ein<strong>an</strong>der nützlich sein.<br />

Nicht soll Ihnen dies den Mut nehmen zu Gott, dem lebendigen Gott. Das Denken: „Die Wahrheit<br />

ist nicht <strong>an</strong>ders, aber der Gr<strong>und</strong>, worauf ich stehe, ist nicht haltbar“, oder vielmehr diese Erkenntnis<br />

bringt eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit. Was sollen wir <strong>von</strong> uns selbst sagen? Der<br />

Mensch k<strong>an</strong>n einen Teufel abgeben! Was sollen wir <strong>an</strong>erkennen? Die Eingeweide ewiger Erbarmung<br />

Gottes über uns, so wie wir sind, wie er in Christo Jesu, unserm Herrn, seine Gerechtigkeit<br />

uns offenbart im Ev<strong>an</strong>gelium seiner Gnade. Welchen Spiegel sollen wir vor uns nehmen, um uns<br />

selbst zu betrachten? Den zerbrochenen: „Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkest! usw.“ Ps.<br />

8,5. Sein Name ist Erbarmer, <strong>und</strong> er macht sein Erbarmen groß über alle, die ihn <strong>an</strong>rufen.<br />

Ach, ich möchte Ihnen noch so vieles sagen! Dieses tröstet mich, daß der Herr gesagt hat: „Sie<br />

werden mich kennen, vom Kleinsten bis zum Größten; denn ich werde ihren Sünden <strong>und</strong> Ungesetzlichkeiten<br />

gnädig sein“.<br />

Also dem großen Hirten der Schafe empfehle ich Sie, mein Lieber! Wie ich Ihrer Tränen beim<br />

Abschied eingedenk bin, so erhoffe ich <strong>von</strong> Ihnen, daß Sie beim fleißigen Arbeiten nicht aufhören<br />

mit Bitten <strong>und</strong> Flehen zu Gott, dem lebendigen Gott, daß er seine Verheißung: „Die Sünde wird<br />

über euch nicht herrschen, denn ihr seid unter Gnade“ bei Ihnen in Erfüllung gehen lasse wider die<br />

Gelüste der Jugend <strong>und</strong> in Ihrem Benehmen gegen Vater <strong>und</strong> Mutter, gegen Koch <strong>und</strong> Küchenmagd.<br />

Und so sei der Herr Jesus mit Ihrem Geiste!<br />

Unsern Gruß Ihren Eltern! Wir empfehlen uns Ihnen ergebenst.<br />

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