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Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht

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<strong>von</strong> „Fleisch“ bis „Sünde für uns“ vorfindet. 8 Weil er nun einer der tüchtigsten Philosophen unseres<br />

L<strong>an</strong>des <strong>und</strong> <strong>von</strong> bedeutendem Einfluß ist, habe ich ihm um so einfacher <strong>und</strong> klarer, aber auch um so<br />

ausführlicher schreiben müssen. Dabei fast jeden Tag ein neues Schreiben <strong>von</strong> <strong>an</strong>derer Seite, <strong>und</strong><br />

Sie wissen, wie wenig Zeit mir vergönnt ist. Auch war die junge Witwe, die Sie bei uns gesehen,<br />

volle fünf Wochen bei uns, <strong>und</strong> als ich Ihnen gestern Abend schreiben wollte, kam wieder ein neuer<br />

Besuch.<br />

Nun hören Sie: Ich habe Ihre interess<strong>an</strong>te Kopie des <strong>Briefe</strong>s <strong>an</strong> den König 9 dreimal gelesen <strong>und</strong><br />

Ihrem Ohm geschrieben, er würde nach seiner Erfahrung in solchen Aktenstücken m<strong>an</strong>ches abzukürzen<br />

wissen, ich sei aber der Meinung, es werde der König wohl nicht „ja“ dazu sagen, wenigstens<br />

wäre das kaum zu denken. Wie aber nun Ihre Sache vorliegt, können Sie höchstens das Schreiben<br />

etwas kürzer abfassen, was Ihr Ohm bereits get<strong>an</strong> haben wird, <strong>und</strong> sod<strong>an</strong>n hurtig auf die Post<br />

damit! Sie <strong>und</strong> Ihr Ohm wissen besser als ich, wie das mit solchen Sachen in Preußen zugeht. Es gehört<br />

bei dem vielen Streit über Symbole vielleicht dazu, daß dem Könige alles vorgelegt wird, was<br />

die Symbole <strong>an</strong>geht; <strong>und</strong> so gebe ich mich damit zufrieden, besonders Ihres letzten Absatzes wegen.<br />

In diesem L<strong>an</strong>de würde ich bei dem herrschenden schrecklichen Leichtsinne, Unlauterkeit <strong>und</strong> der<br />

einerseits frömmelnden, <strong>an</strong>dererseits negativ rationalistischen Symbolen-Maskerade-Macherei eben<br />

diese Gesinnungen durch einen Gegenhieb den einen wie den <strong>an</strong>dern vor die Augen rücken <strong>und</strong> sie<br />

damit in die Enge treiben.<br />

Ist es Ihnen aber <strong>an</strong>genehmer, kein Wort <strong>von</strong> diesem <strong>Briefe</strong> fallen zu lassen, so machen Sie es,<br />

wie Ihr Geist Sie hierin treibt. Ich liebe die Freiheit der Bewegung. Sie schreiben d<strong>an</strong>n auch noch<br />

dem Minister.<br />

Was mir mehr am Herzen liegt, ist dieses, daß ich Ihnen doch ja den Rat erteile, nicht zu zögern,<br />

sich über Heidelberg oder eine <strong>an</strong>dere Universität Auskunft zu holen, <strong>und</strong> zugleich alles, was <strong>an</strong><br />

Wissen <strong>von</strong> Ihnen gefordert werden wird, unter die Kniee zu kriegen. Seien Sie darin ja nicht saumselig,<br />

sondern machen Sie sich auf, <strong>und</strong> lassen Sie das „einstweilen“ aus, es sei denn, daß Ihr Gemüt<br />

zu etwas <strong>an</strong>derem hinneigt <strong>und</strong> etwas <strong>an</strong>deres auch Ihren Eltern lieber wäre. Es ist mir noch nicht<br />

klar geworden, ob Ihr Geist wirklich nach einer Professur strebt, oder ob Ihre außerordentliche Fähigkeit<br />

Sie so weit gebracht hat, ohne daß Sie g<strong>an</strong>z darin leben.<br />

Wieviel Liebliches, Herzerquickendes haben Sie mir <strong>von</strong> allerlei Dingen mitgeteilt, darunter Ihre<br />

Bek<strong>an</strong>ntschaft mit jener Familie, auch wie Ihre Eltern sich bei der Sache mit der Fakultät benehmen,<br />

war mir sehr rührend, <strong>und</strong> ich d<strong>an</strong>ksage dem Gott aller Treue <strong>und</strong> Erbarmung, daß er es Ihnen<br />

in jeglicher Hinsicht nicht <strong>an</strong> Trost fehlen läßt. Wir wissen nicht, wo wir dem Rat Gottes dienen<br />

können. Meinen wir, hier sei es nicht, d<strong>an</strong>n ist es m<strong>an</strong>chmal gerade dort. Meinen wir aber, hier sei<br />

es g<strong>an</strong>z gewiß, d<strong>an</strong>n ist es gerade dort nicht.<br />

8 K. schreibt dort zu den Worten: „aus welcher, nämlich Maria, gezeugt worden ist Jesus“ folgendes: Ist es wahr, daß<br />

das Wort „Fleisch“ ward, so haben wir hier das Zeugnis, wie es Fleisch geworden. Fleisch <strong>von</strong> Fleische geboren;<br />

nicht <strong>von</strong> einer fleischlich reinen Geburt, um Quasi-Erbsünde zu bedecken, sondern Fleisch wie wir sind, nämlich<br />

„nicht Geist“, sondern Gottes g<strong>an</strong>z <strong>und</strong> gar entäußert, entledigt, aus der Herrlichkeit Gottes heraus; begriffen in eben<br />

derselben Verdammung oder ewigem Tode <strong>und</strong> Fluche, worin wir <strong>von</strong> unserer Geburt; <strong>an</strong>heimgegeben dem, der<br />

dieses Todes Macht hat, das ist dem Teufel, wie wir <strong>von</strong> Hause aus. So ist er für uns geboren <strong>von</strong> einem Weibe, <strong>und</strong><br />

in diesem unserm g<strong>an</strong>zen Wesen, mit allen menschlichen Effekten, Begierden <strong>und</strong> Bedürfnissen „Sünde“ für uns<br />

gemacht, war er hier in Gleichheit eines Fleisches <strong>von</strong> Sünde <strong>an</strong> unserer Statt.<br />

9 W. w<strong>an</strong>dte sich am 5. Februar 1845 in einem Immediat-Gesuch mit der Bitte <strong>an</strong> den König, Seine Majestät möge ihn<br />

<strong>von</strong> der Eidesformel entbinden <strong>und</strong> befehlen, dato die. ev. theol. Fakultät ihn zur Erl<strong>an</strong>gung des Grades eines<br />

Licentiaten der Theologie zulasse. Der Minister Ladenberg benachrichtigte am 29. Mai 1845 W., daß sein Gesuch<br />

keine Erhörung gef<strong>und</strong>en (s. Zahn a. o. O. S. XXIII).<br />

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