Briefe von H. F. Kohlbrügge an J. Wichelhaus - Licht und Recht
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Herrn Joh<strong>an</strong>nes <strong>Wichelhaus</strong>, C<strong>an</strong>d. theol. in Halle a. d. Saale.<br />
Es ist hohe Zeit, daß ich Sie etwas <strong>von</strong> uns durch eigene H<strong>an</strong>d hören lasse, teuerster <strong>Wichelhaus</strong>!<br />
Erhalten Sie vorab meinen herzlichsten D<strong>an</strong>k für die beiden <strong>Briefe</strong>, die ich aus Halle <strong>von</strong> Ihnen erhalten<br />
habe.<br />
Wir sind bereits über sechs Wochen hier, <strong>und</strong> es ist uns bis dahin wie ein einziger Tag. Unsere<br />
Ges<strong>und</strong>heit ist wieder hergestellt, <strong>und</strong> der eine Tag wacht mit uns so froh auf wie der <strong>an</strong>dere, <strong>und</strong> jeden<br />
Abend legen wir uns heiter zur Ruhe. Es sagt dieses viel <strong>und</strong> alles, wenn Sie wissen, daß ich<br />
nach Aussage der Ärzte ein Übel würde bekommen haben, wor<strong>an</strong> ich schon l<strong>an</strong>ge litt, <strong>und</strong> wobei<br />
mir kein halbes Jahr Leben mehr gestattet wäre. Es sagt viel, wenn Sie wissen, daß meine heißgeliebte<br />
Frau seit l<strong>an</strong>ge keine Speisen mehr verdauen konnte <strong>und</strong> das teure Annchen sehr blaß <strong>und</strong> mager<br />
geworden war <strong>und</strong> ihr ein Nervenfieber bevorst<strong>an</strong>d.<br />
Zu Emmerich blieben wir einen g<strong>an</strong>zen Tag über, nahmen einen Wagen, nachdem wir erst am<br />
Frühmorgen den Markt die Kirche <strong>und</strong> das städtische Gärtlein besehen hatten <strong>und</strong> fuhren nach der<br />
Reckenburg, wo meine Frau zur Schule geg<strong>an</strong>gen ist. Es wohnt nunmehr daselbst der Graf <strong>von</strong><br />
Hoogstraten, welcher eine Gräfin v. Borcke, Nichte meiner Frau, geheiratet hat. Welch einer zarten<br />
Aufnahme durften wir uns daselbst erfreuen! Wie war es uns zu Mute, da zu sein, wo meine Frau<br />
zur Schule geg<strong>an</strong>gen ist. Von da gingen wir zu Fuß den Weg, welchen meine Frau als Kind jeden<br />
Tag gemacht hat, durch Acker <strong>und</strong> Wiesen, Dorf <strong>und</strong> Baumgarten nach dem jetzt verfallenen<br />
Schlosse Offenberg. Alles, alles erk<strong>an</strong>nte meine Frau noch wieder. Nichts blieb ungesehen, nichts<br />
unbesucht. Hier hatte sie mit ihren Eltern einen großen Teil ihrer Jugend verlebt. Meine Frau war<br />
wie ein Kind, <strong>und</strong> als die Pächterin ihr Äpfel (Striplinge) <strong>an</strong>bot, hätten Sie es beobachten sollen,<br />
wie sie die Äpfel darin erk<strong>an</strong>nte, welche ihr Vater gepfl<strong>an</strong>zt hatte. – Von Offenberg fuhren wir nach<br />
Rees, wo auch noch eine Gräfin v. Borcke wohnt, <strong>und</strong> <strong>von</strong> d<strong>an</strong>nen nach dem Schloß Hueth des Grafen<br />
v. Borcke, wo meine Frau gleichfalls mit ihren Eltern l<strong>an</strong>ge gelebt hatte. Das Schloß war noch<br />
g<strong>an</strong>z im alten Stil. Der junge Graf, die alte Gräfin <strong>und</strong> ihre Töchter setzten uns in ihren Kreis, <strong>und</strong><br />
da war es, als ob meine Frau erst gestern sie verlassen hätte. Das war ein Tag für meine Frau <strong>und</strong><br />
mich, welcher unvergeßlich bleiben wird, – ein komplettes Idyll in Realität.<br />
Zu Düsseldorf f<strong>an</strong>den wir unsern geliebten Fre<strong>und</strong> Carl <strong>von</strong> der Heydt <strong>und</strong> sahen den Schloßgarten;<br />
auch traf da Lütge bei uns ein.<br />
Zu Köln machten wir uns um 5½ Uhr früh aus dem Schiff. Ein heiterer Morgen war es. Wir<br />
durchliefen mehrere Straßen, sahen den Markt <strong>und</strong> den Dom. Ich hielt den Kopf bedeckt im Dom<br />
<strong>und</strong> erwiderte auf Ermahnung, daß ich mit entdecktem Haupte einhergehen solle, daß ich eine<br />
Kopfkr<strong>an</strong>kheit hätte. Sod<strong>an</strong>n machten wir uns nach Deutz <strong>und</strong> sahen <strong>von</strong> da aus Köln in der Morgensonne.<br />
Majestätischer Anblick!<br />
Ein halbes Stündchen vor Bonn erhebt sich ein Kirchtürmchen, wahrscheinlich Reindorf. D<strong>an</strong>n<br />
erschienen die Dächer Bonns, übersilbert <strong>von</strong> der Sonne, links auf einmal das Siebengebirge, rechts<br />
die Kapelle, der Rhein daselbst ein See, spiegelglatt, vor uns ein segelndes Schiff. Das nahm sich da<br />
alles schweizerisch aus. Ich rief daselbst meine Frau aufs Verdeck, <strong>und</strong> es spr<strong>an</strong>gen ihr die Tränen<br />
aus den Augen, wie sie dieses alles sah. – Von Bonn brachte uns ihre T<strong>an</strong>te Frau D<strong>an</strong>iel <strong>von</strong> der<br />
Heydt <strong>und</strong> Herr Frowein nach Godesberg.<br />
Die Straße entl<strong>an</strong>g, die Post vorbei, rechts ein Haus <strong>und</strong> noch ein Haus, mehr einwärts, umgeben<br />
<strong>von</strong> einem Garten, welcher erst drei Jahre alt ist. 150 Schritt l<strong>an</strong>g <strong>und</strong> 50 Schritt breit ist da wohnen<br />
wir jetzt. Die Schlafstube sieht auf den Turm <strong>von</strong> Godesberg <strong>und</strong> auf Plittersdorf. Obercassel, Dol-<br />
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